Frankfurter „Resteküche“ : Täglich Lebensmittel retten
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Unser täglich Brot: Für die Resteverwerter auch dann noch brauchbar, wenn es nicht mehr ganz frisch ist. Bild: dpa
Die „Resteküche“ in Frankfurt kocht mit Nahrung, die normalerweise im Mülleimer landen würde – um zu zeigen, dass Nachhaltigkeit Spaß machen kann.
Jede Sekunde werden in Deutschland 313 Kilogramm Lebensmittel weggeworfen. Der Großteil davon wäre noch genießbar. Eine Orange im Netz ist geplatzt, das Mindesthaltbarkeitsdatum bald abgelaufen, die Zucchini hat einen Kratzer: Solche Ware landet im Groß- und Einzelhandel in der Tonne. Das Frankfurter Projekt „Resteküche – Beste Küche“ rettet solche Lebensmittel und kocht auf Veranstaltungen oder Caterings mit ihnen. So wie kürzlich auf dem Reflecta Filmfestival in Mainz.
Drei Stationen haben Daniel Anthes, Katharina Schulenburg und Juliane Mooz von der Resteküche aufgebaut: Gemüsebratlinge, gefüllte Ravioli und Apfel-Zwiebel-Chutney. An den Stationen liegen Messer, Brettchen, Kochplatte, Töpfe und Pfannen für die Besucher bereit. „Die Lebensmittel, mit denen ihr heute kocht, sind alle gerettet“, sagt Katharina Schulenburg. „Wir wollen heute damit kreativ sein. Genaue Rezepte gibt es keine. Wir probieren einfach gemeinsam aus.“ Die Besucher schälen Äpfel, schneiden Möhren, Paprika und Zucchini und kneten Nudelteig. Anthes, Schulenburg und Mooz laufen zwischen den Stationen hin und her und geben Tipps.
Sie wollen Alternativen aufzeigen
Die Resteküche ist ein Projekt des gemeinnützigen Frankfurter Vereins „Shout Out Loud“. 2013 wurde der Verein gegründet, er beschäftigt sich seitdem vor allem mit den Themen Lebensmittelverschwendung und Plastikmüll. „Wir wollen die Welt ein Stück besser machen und fangen im Lokalen an“, sagt Anthes. Die Initiatoren fahren mit den Lebensmitteln zu Veranstaltungen, auf Festivals und zu Unternehmen. Sie sprechen in kurzen Vorträgen über Lebensmittelverschwendung und nehmen auch Catering-Aufträge an.
Die Ware erhalten sie großteils vom Frankfurter Bio-Großhändler Phönix. „Der kann die Lebensmittel aus verschiedenen Gründen nicht mehr verkaufen, will sie aber auch nicht wegschmeißen“, erläutert Anthes. Mit einem kleinen Seat fahren sie einmal in der Woche beim Händler vorbei und nehmen mit, was sie verbrauchen können. „Meistens ist das Auto zu klein“, sagt Anthes. Wenn keine Veranstaltung ansteht, verteilen sie die Lebensmittel im vereinseigenen Netzwerk. Die Organisatoren der Resteküche wollen mehr als bloß kritisieren. „Der moralische Zeigefinger ist tot“, sagt Anthes. „Wir wollen Alternativen aufzeigen, die Spaß machen“ – zum Beispiel Koch-Workshops.
An der ersten Station köchelt ein Chutney im Topf. Katharina Schulenburg erklärt den Besuchern: „So könnt ihr Lebensmittel haltbar machen, wenn ihr im August zu viele Äpfel habt.“ An der zweiten Station ist der Nudelteig ausgerollt und wird mit roter Beete und Ricotta gefüllt. Mehl, Grieß und Wasser für den Teig, Gemüse oder Käse für die Füllung. Mehr braucht es nicht. „Ihr könnt einfach Nudeln mit Resten füllen“, sagt Schulenburg. An der dritten Station wird das gehobelte Gemüse mit Reis und Kartoffeln zu Bällchen geformt und in Fett frittiert.
„Es gibt so viel, was in Deutschland weggeschmissen wird“
In Zukunft wollen Schulenburg, Anthes und ihre Kollegen von der Resteküche mit einem Food-Truck durch die Region fahren. In einer Crowd-Funding-Aktion haben sie rund 40000 Euro gesammelt. Abzüglich der Steuern und Rücklagen für den Unterhalt haben sie jetzt rund 20000Euro für einen solchen Food-Truck zur Verfügung. „Aber die Suche ist schwieriger als erwartet“, sagt Anthes. Vor einigen Tagen hat er sich zwei Modelle angeschaut. Jetzt prüfen sie, ob der Einbau einer Küche passen könnte und der Truck die grüne Plakette bekommt. „Am liebsten wäre uns ein ausrangiertes Modell der Post oder Bahn“, sagt Anthes. „Großer Transporter mit Laderaum und grüner Plakette. Den können wir dann nach unseren Wünschen umbauen.“
Mit dem Food-Truck soll das Konzept mobil werden. „Ob Festivals oder Hochzeiten, Mittagssnacks oder Firmencaterings, wir können dann alles machen“, meint Anthes. Denn die wichtigste Ressource wird ihnen so schnell nicht ausgehen: „Es gibt so viel, was in Deutschland weggeschmissen wird.“ Außer mit Phönix kooperieren sie noch mit der Bäckerei „Zeit für Brot“ aus dem Nordend. Im Gespräch sind sie mit weiteren Bio-Betrieben aus der Region. „Im Grunde ist es ein gesetzlicher Missstand, dass es günstiger ist, Lebensmittel wegzuschmeißen. Die Unternehmen, die mit uns kooperieren, freuen sich, wenn ihre Produkte noch verwendet werden.“
An den Kochstationen dampft es jetzt kräftig, das Chutney simmert noch immer, und die Truppe hat ein Zaziki aus Joghurt, Quark und Gurken gerührt, die Ravioli köcheln, und die Gemüsebällchen werden frittiert. Die ersten Portionen sind angerichtet, ein paar Besucher holen sich einen Teller und lassen sich in der Sonne schmecken, was eigentlich im Müll gelandet wäre.