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Frankfurter Kneipenrunden : Von wegen Stammtischniveau

Eigentlich ist der Apfelwein ein gesundes Getränk, da sind sich Michael Engel und seine Stammtischkollegen einig. Er sei vergleichsweise alkoholarm, man könne ihn mischen, und er fördere die Verdauung. Weil das Stöffche aber doch bewusstseinsverändernd ist, nennen sie ihren Stammtisch „Frankfurter Drogenszene“. Seit 25 Jahren treffen sie sich jede Woche in verschiedenen Apfelweinkneipen in und um Frankfurt. „Traditionen muss man halt pflegen“, sagt Engel. Am Anfang sprachen sie oft über Siemens, wo sie alle einmal gearbeitet haben. Als Jürgen Neumann und Hans Puchtinger dazukamen, ging es öfter um Politik - Puchtinger war jahrelang bei der SPD aktiv, zuletzt als Ehrenstadtrat in Groß-Karben. Neumann grummelt: „Gerechtigkeit heißt doch nur, dass einem in die Tasche gegriffen wird.“ Und inzwischen, sagt Michael Engel, seien sie thematisch bei den Krankheiten angekommen. „Wer in unserem Alter nichts hat, der ist nicht richtig untersucht worden“, wirft Neumann ein. Die Männer lachen.

Engel hat einen Schnurrbart, trägt Brille und ist gebürtiger Frankfurter. Er und zwei weitere Männer sind die Letzten, die von der ursprünglichen Runde übrig geblieben sind. Einer sei an Krebs gestorben, der andere 2002 im Himalaja verschollen. „Wir machen das auch für die beiden weiter“, sagt Engel. Auf den Tellern liegen riesige Koteletts, ohne Beilagen. Die Wände des Wirtshauses sind holzvertäfelt, Hufeisen hängen daran, in dunklen Regalen stehen Bembel. In der vergangenen Woche war die „Drogenszene“ zu Gast in einem Apfelweinlokal an der Schweizer Straße. Unfassbar unfreundlich sei der Kellner dort gewesen. „Das ist gespielte Unfreundlichkeit“, vermutet Engel. Neumann widerspricht ihm.

Meist trinkt einer der Herren nur Wasser und fährt dann die anderen. Manchmal trinken auch alle und fahren mit Bus oder Bahn. So auch heute, sagen sie und schenken nach. Außerdem gehen sie gemeinsam wandern, bei den Wochenendausflügen dürfen die Ehefrauen mitkommen, bei den längeren sind die Männer unter sich. Engel, mit seinen 58 Jahren der mit Abstand Jüngste und der Einzige, dessen Haare noch nicht ergraut sind, organisiert das alles. „Der einzige, der noch arbeitet, hat ja Zeit dafür“, kommentiert er das. Später am Abend kommt ein weiteres Stammtischmitglied dazu und bestellt ein Bier. „Früher gab es in den Apfelweinkneipen gar kein Bier“, sagt Neumann. Engel erzählt, dass die Männer zu Weihnachten immer wichteln. Da gibt es dann zum Beispiel ein Buch. „Oder eben ein Bembelsche.“

Die Anfänger

„Neu in Frankfurt“, jeden zweiten Dienstag um 19 Uhr in verschiedenen Kneipen

Die erste Nacht in der fremden Stadt steht bevor, und Claudia Schröder hat es nicht eilig, in die neue Wohnung zurückzukehren. Statt den Abend allein zwischen Umzugskartons zu verbringen, sitzt sie in der Bar „Louisiana“ im Nordend, umringt von jungen Menschen ihres Alters. Eigentlich kennt sie noch niemanden hier in Frankfurt. Doch dank des Stammtischs „Neu in Frankfurt“ muss sie ihren ersten Abend in der neuen Heimat nicht alleine verbringen. Claudia Schröder arbeitet seit einem halben Jahr bei einem Pharmaunternehmen in Mainz. Die meisten ihrer Kollegen sind deutlich älter als die Siebenundzwanzigjährige und wohnen teils mit Frau oder Mann und Kind am Stadtrand. „Eigentlich ist das eine spannende Lebensphase gerade: jung, ungebunden, neu im Beruf“, sagt die schlanke blonde Frau. Doch es sei schwer, Menschen in der gleichen Phase kennenzulernen, vor allem in Mainz, wo viele Studenten und ältere Leute lebten. Deshalb ist Schröder jetzt nach Frankfurt gezogen.

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