Sicherheitspanne am Flughafen : Nach „Kanzler-Umarmung“ Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs
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Tor 32 an der Cargo City Süd: Hier ist dem Vernehmen nach der Beschuldigte auf das Flughafengelände gelangt. Bild: Frank Röth
Der Mann, der unbefugt mit dem Kanzler-Konvoi auf das Rollfeld des Frankfurter Flughafens gelangt ist, muss sich wohl wegen Hausfriedensbruch verantworten. Bundesinnenministerin Faeser kündigt Konsequenzen an.
Nach der Sicherheitspanne am Frankfurter Flughafen, bei der es einem Mann gelungen war, sich in den Konvoi von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu schmuggeln und auf das Vorfeld zu gelangen und den Politiker dort zu umarmen, hat die Frankfurter Polizei die Ermittlungen aufgenommen. Wie ein Sprecher sagte, ermittele man wegen Hausfriedensbruch. Der Mann sei unbefugt auf das Gelände gelangt, da er nicht offiziell zum Konvoi gehörte. Es handele sich bei ihm um einen 48 Jahre alten Mann aus Frankfurt.
Woher er die Route kannte, die der Konvoi auf dem Weg von der EZB zum Flughafen genommen hat und was ihn dazu veranlasste, sich unter die Fahrzeuge zu mischen, ist „Gegenstand der Ermittlungen“, wie es weiter hieß. Die Vernehmung habe bisher keine schlüssige Erklärung gebracht.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte unabhängig davon Konsequenzen an. „Das darf nicht passieren“, sagte die SPD-Politikerin am Freitag nach einem Treffen mit dem tschechischen Innenminister Vit Rakusan am Grenzübergang Petrovice-Bahratal. Man werde jetzt „sehr genau aufarbeiten, woran es lag, um die Dinge dann auch möglichst abstellen zu können“.
Gab es ein Vorauskommando?
Die drängendste Frage, die sich den Sicherheitsbehörden nun stellt, ist, wie gut der Personenschutz an diesem Tag tatsächlich aufgestellt war. Der Personenschutz des Bundeskanzlers wird über das Bundeskriminalamt koordiniert. Aber auch die jeweilige Landespolizei ist eingebunden, so war es in diesem Fall die hessische Polizei, die wohl auch in der Eskorte eingebunden war.
Offenbar aber war es den Beamten, welcher Behörde auch immer, nicht aufgefallen, dass sich ein unbefugtes Fahrzeug an den Konvoi gehängt hatte und dann auch mit durch das Tor am Flughafen gefahren war. Wie der „Spiegel“ berichtet, stand der Mann offenbar unter Drogeneinfluss. Das habe ein Schnelltest ergeben. Ob der Drogeneinfluss die Verfolgung erklärt, ist jedoch unklar.
Wie aus der Polizei zu hören ist, stellt sich noch eine weitere Sicherheitslücke dar: So hätte der Mann spätestens auf dem Vorfeld abgefangen werden müssen. Es hätte ihm nie gelingen dürfen, so nah an den Kanzler heranzukommen. Ein Beamter, der sich mit den strengen Regularien im Personenschutz auskennt, sagte der F.A.Z., „auch in einem vermeintlich sicheren Umfeld muss immer gewährleistet sein, dass die zu schützende Person nicht Ziel von Angriffen werden kann“. In der Regel gebe es ein sogenanntes Vorauskommando. Das bestehe aus Beamten, die die Örtlichkeit vorher in Augenschein nähmen und absicherten. Diese Beamten seien schon da, wenn ein Konvoi eintreffe. Es müsse daher geklärt werden, ob es in diesem Fall ein solches Vorauskommando gegeben habe.
Offiziell äußern sich der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport AG und die Bundespolizei nur knapp zu dem Vorfall. Man werde die Behörden unterstützen, heißt es bei Fraport. Die Bundespolizei, die den Mann in Gewahrsam genommen hatte, verweist auf die Zuständigkeit des Bundeskriminalamts.
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Zum News-QuizBei der Fraport hat der Vorfall dem Vernehmen nach für „erhebliches Kopfschütteln“ gesorgt. Ein solcher Vorgang konterkariere die Sicherheitsbemühungen auf dem Flughafen in der Öffentlichkeit, heißt es. Auch, wenn dieser Vorfall nichts mit den hohen Sicherheitsstandards im regulären Passagierbetrieb zu tun habe.
Besonderer Zugang über VIP-Lounge
Am größten deutschen Flughafen kommt es regelmäßig vor, dass Konvois mit ranghohen Personen wie dem Bundeskanzler durch ein Tor direkt auf das Vorfeld fahren, ohne die üblichen Sicherheitsprozeduren zu durchlaufen. Das ist vor allem auf der Südseite des Flughafens leicht zu bewerkstelligen, weil der reguläre Passagierverkehr im Norden über Terminal 1 und 2 abgewickelt wird. Dann allerdings liegt die Verantwortung unmittelbar bei den Sicherheitsbehörden.
Es gibt auch im Norden an Tor 13 einen besonderen Zugang über die Fraport-VIP-Lounge, der oft von Politikern und anderen prominenten Personen genutzt wird, um diskret und sicher ihren Flug zu erreichen oder vom Flughafen in die Stadt zu gelangen. Dort ist es beim Abflug allerdings notwendig, die landseitig genutzten Fahrzeuge zu verlassen, die Sicherheitsschleusen zu passieren und in für das Vorfeld zugelassene Fahrzeuge umzusteigen. Das nimmt zwangsläufig viel mehr Zeit in Anspruch.
Bei offiziellen Anlässen am Flughafen, bei denen Personen mit hohem Sicherheitsstatus avisiert sind, laufen dagegen schon Tage vor dem eigentlichen Termin umfangreiche Sicherheitsprozeduren inklusive der Sicherheitsüberprüfung aller teilnehmenden Personen und des Einsatzes von Sprengstoffsuchhunden.
Nachlässige Kontrollen, fehlende Videos
Die Panne beim Personenschutz durch das BKA war nicht der erste Vorfall am Frankfurter Flughafen, der Sicherheitslücken deutlich machte. 1995 war es einem Reporter von RTL gelungen, mit einer abgelaufenen Zugangsberechtigung eines ehemaligen Mitarbeiters eine Sicherheitskontrolle zu überwinden.
Im März 2011 kam es an einer Bushaltestelle am Flughafen zu einem Anschlag. Ein in Frankfurt lebender Islamist tötete dabei zwei amerikanische Soldaten. Später stellte sich heraus, dass es keine Videoaufnahmen der Tat gab, weil die Videoanlage an dem Tag gewartet wurde.
Ende 2014 wurde ein Prüfbericht veröffentlicht, der zeigte, dass es Testpassagieren gelungen war, Waffen oder gefährliche Gegenstände durch die Passagierkontrolle zu schmuggeln. Der Flughafenbetreiber Fraport ordnete daraufhin Nachschulungen beim Sicherheitspersonal an.
Ein Vorfall mit weitgehenden Folgen ereignete sich im August 2018. Als eine französische Familie die Sicherheitskontrolle passierte, schlug der Sprengstofftest an. Die Familie sollte zur Nachkontrolle, trotzdem wurde sie in den Sicherheitsbereich gelassen. Die Polizei stoppte das Boarding und evakuierte große Teile des Flughafens. Rund 60 Flüge mussten wegen des Vorfalls gestrichen werden, zahlreiche Reisende die Nacht in Frankfurt verbringen.