Verlängerung der U5 : 80 Meter langer Bohrer gräbt sich durch Frankfurt
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„Andrehfest“ im Europaviertel: Eine rund 80 Meter lange und 580 Tonnen schwere Tunnelvortriebsmaschine wird in Gang gesetzt, um den Bau der Tunnelröhre für die verlängerte U-Bahn-Linie 5 einzuleiten.
Ein stählerner Lindwurm frisst sich seit gestern 25 Meter unter der Erdoberfläche durch das Frankfurter Europaviertel. Den Startknopf der 84 Meter langen Riesenmaschine drückte Franziska Reichenbacher in Vertretung der heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute und Mineure. Nach der „Lottofee“ heißt denn auch die in den nächsten Monaten zu grabende Röhre „Franziska-Tunnel“.
Reichenbacher durfte zudem als Patin das knapp 600 Tonnen schwere Bohr-Ungetüm, das ein Schneidrad von mehr als sieben Meter Durchmesser und einen neun Meter langen Stahlschild dahinter hat, ins Maschinen-Taufregister eintragen. Die Verkünderin der Lottozahlen ließ wie bei einer Schiffstaufe eine Flasche Schaumwein an der Außenhaut zerschellen und gab der Maschine danach den Namen Eva. Mit der Urmutter der christlichen Schöpfungsgeschichte hat die Bezeichnung allerdings nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um die Abkürzung von „Europaviertel anbinden“, diese Wortschöpfung ging als Sieger aus einem Namenswettbewerb hervor.
Bei dem Stadtbahn-Tunnel handelt es sich um zwei jeweils etwa 850 Meter lange Röhren: Sie führen von der im Bau befindlichen unterirdischen Station Güterplatz bis zum Platz der Republik, wo sie auf den schon vorhandenen Tunnel der U5 stoßen. Im Südtunnel werden künftig die vom Westen des Europaviertels kommen Züge der U5 bis zum Platz der Republik und danach durch die 40 Jahre alte Röhre unter dem Hauptbahnhof bis zur Konstablerwache fahren und von dort aus oberirdisch weiter bis nach Preungesheim. Im Nordtunnel nehmen die Bahnen die entgegengesetzte Richtung, kommen an der Emser Brücke wieder an die Oberfläche und fahren von da an weiter über die noch im Bau befindlichen Stationen „Emser Brücke“ und „Europagarten“ bis zur vorläufigen Endstation „Wohnpark“.
Bis die erste reguläre Bahn auf dem neuen Ast der U5 durchs Europaviertel fährt, wird es jedoch noch bis 2024 dauern. Allein die Tunnelvortriebsmaschine, wie der eigens für dieses Projekt vom Unternehmen Herrenknecht für etwa zehn Millionen Euro gefertigte Riesenbohrer von den Ingenieuren genannt wird, benötigt etwa ein Jahr für die beiden Röhren.
Dabei soll die Maschine sich rund um die Uhr durchs das Erdreich fräsen, und das sieben Tage in der Woche. Am Platz der Republik angekommen, wird der Riesenbohrer abgebaut, zurück zur Europaallee transportiert, dort neu zusammenmontiert und für die zweite Röhre in Gang gesetzt. Pro Schicht arbeiten acht Mineure, insgesamt 60 solcher Spezialisten werden auf dieser Baustelle, die eine der größten in Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet ist, eingesetzt.
Die U-Bahn-Linie kommt Jahre verzögert
Sie dürfen auf den Schutz der heiligen Barbara hoffen, die in Form einer geschnitzten Holzstatue in einem Schrein hoch über der Baustelle Tag und Nacht wacht. Barbara zählt für Katholiken zu den sieben Nothelfern, wird aber offenbar auch von den Protestanten geschätzt. Jedenfalls hat die evangelische Pfarrerin Katja Föhrenbach die Barbara-Figur im Verein mit ihrem katholischen Kollegen, dem Pastoralreferenten Harald Stuntebeck, gesegnet und Gottes Hilfe für das große Tunnelprojekt erbeten. Das wichtigste, so sagte die frischgebackene Tunnelpatin Franziska Reichenbacher, sei schließlich, dass niemand bei den Bohrarbeiten zu Schaden komme.
Mit der Verlängerungsstrecke der U5 wird der neue Stadtteil Europaviertel an das Stadtbahnnetz Frankfurts angeschlossen. Allerdings ist es nicht gelungen, diesen Schienenabschnitt gleichzeitig mit der Vollendung des Viertels fertigzustellen, wie es eigentlich das Ziel der Kommunalpolitik war. Weil sich die damalige schwarz-grüne Koalition lange nicht darauf einigen konnte, ob die gesamte Strecke oder nur eine Teilstrecke unterirdisch verlaufen sollte, kam es schon im Vorfeld zu Verzögerungen.
Zudem stand das Projekt 2013 auf der Kippe, weil der damalige Verkehrsdezernent Stefan Majer (Die Grünen) eine dramatische Kostensteigerung um 50 Millionen Euro vermelden musste. Zuletzt verschob sich der Terminplan, weil die Beseitigung von Munitions- und Kampfmittelresten aus dem Zweiten Weltkrieg länger dauerte als vorgesehen. Die Kosten dafür summierten sich auf rund zehn Millionen Euro.
Nach dem derzeitigen Stand liegen die Kosten für das gesamte Projekt einschließlich der oberirdischen Strecken und Stationen bei 373 Millionen Euro. Doch man darf davon ausgehen, dass man am Ende bei 400 Millionen Euro landen wird. Bund und Land fördern das Vorhaben mit 157 Millionen Euro, die restliche Summe müssen die Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) als Bauherr respektive die Stadt Frankfurt aufbringen. Land, Bund und Stadt setzen viel Geld ein, sagte Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Die Grünen) gestern bei der Inbetriebnahme der Tunnelvortriebsmaschine: „Aber es wirkt über Generationen.“ Nur mit leistungsfähigen öffentlichen Verkehrsmitteln werde man die Mobilität in Rhein-Main sichern können: „Jeder Meter Schiene hilft.“
Im Europaviertel könnten es über die 2,7 Kilometer langen Verlängerung der U5-Strecke hinaus sogar ein paar Hundert Meter mehr werden. Frankfurts Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) kündigte jedenfalls an, die Stadt werde schon jetzt mit der Planung zweier weiterer Stationen und der Fortsetzung der Stadtbahnstrecke bis zum Römerhof beginnen, wo ein neues Wohngebiet entstehen soll.
2,7 Kilometer lang
Auch auf der anderen Seite der Strecke im Norden soll es Oesterling zufolge weiter gehen. Die Verlängerung der U5 von Preungesheim zum Frankfurter Berg habe ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis nachweisen können. Schon in wenigen Jahren könnte eine attraktive Verbindung zur S-Bahn in Richtung Bad Vilbel zur Verfügung stehen, sagte Oesterling, der von Minister Al-Wazir als „Mister Schiene“ bezeichnet wurde.
„Wir investieren in die Zukunft der Stadt“, sagte Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) – „eine Stadt der schnellen Wege“. Ihm blieb es vorbehalten, als erster den Mineuren der Unternehmens Porr und Stump-Franki Spezialtiefbau den traditionelle Bergmannsgruß „Glück auf!“ zuzurufen. Ihm folgte am Ende des Festaktes mit Gotteslob in der Baugrube einer der Mineure. „Heute“, so verkündete er den Politikern und den Verkehrsleuten, „drehen wir das Schneidrad an.“