
Ermittlungen gegen Awo : Frei von Gschaftlhuberei
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Weitere kritische Fragen: Der ehemalige Frankfurter Awo-Chef Jürgen Richter trifft mit dem Verband vor dem Arbeitsgericht aufeinander Bild: Björn Knetter
Vielleicht in einem Jahr, wenn es gut läuft, könnten die Ermittlungsverfahren rund um die Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt abgeschlossen sein. Der Vorwurf der Untreue, der im Zentrum steht, ist eben ein Tatbestand mit Tücken.
Allmählich schwindet die Hoffnung, dass die Hintergründe der merkwürdigen Ereignisse bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Frankfurt und Wiesbaden in absehbarer Zeit erhellt werden. Das kann noch dauern, heißt es von den Staatsanwaltschaften, Unterlagen seien zu ordnen, Datenträger auszuwerten, Beteiligte, Zeugen und vermutlich auch Sachverständige zu hören. Vielleicht in einem Jahr, wenn es gut laufe, könnten die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sein. Der Vorwurf der Untreue, der im Zentrum steht, sei eben ein Tatbestand mit Tücken, heißt es. Umso mehr, wäre zu ergänzen, als noch längst nicht einmal geklärt ist, ob und wer geschädigt wurde. In Frankfurt reklamieren das der Sozialverband selbst und die Stadt als sein größter Auftraggeber (und Zahler) für sich.
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am Mittwoch versuchte zudem der Anwalt des Mannes, bei dem alle Fäden der „Selbstbedienungsaffäre“ zusammengelaufen sein sollen, es so darzustellen, als habe sein Mandant nichts Unrechtes getan, sondern nur wie ein erfolgreicher Unternehmer agiert. Mindestens zum Wohle der Awo, wenn nicht gar zum Wohle der Stadt, bei einer entsprechend leistungsgerechten, natürlich außertariflichen Entlohnung und sonstigen Vergünstigungen. Die überaus großzügige „Vorruhestandsregelung“ stehe ihm daher zu. Solche Erklärungen werden die vielen ehrenamtlichen Helfer oder die nicht gerade üppig entlohnten Awo-Mitarbeiter erst einmal verdauen müssen.
Angeblich so erfolgreiche Finanzmanöver
Die Unschuldsvermutung ist ein wichtiges Prinzip, aber es kann weitere kritische Fragen nicht verbieten. Diese zielen nach der Offensive des ehemaligen Awo-Chefs vor Gericht umso mehr darauf, ob seine angeblich so erfolgreichen Finanzmanöver über Jahre überhaupt kontrolliert wurden. Das muss der Verein noch intern aufarbeiten. Erst recht aber müssen sich die beiden Städte, die nach wie vor Millionenbeträge für Kindergärten, Altenheime oder Flüchtlingsunterkünfte überweisen, sich endlich dieser Aufgabe stellen.
Ein echter Neubeginn, von den in den vergangenen Wochen oft die Rede war, bedarf daher vor allem eines Konzeptes der Kommunen, wie sie die so wichtige Kooperation mit den freien Trägern künftig frei von Gschaftlhuberei gestalten wollen. Auch wenn es nun ein erstes Urteil in erster Instanz gibt: Den Richterspruch, der in der Affäre alles klärt und alles regelt, wird es nicht geben.

Ressortleiter des Regionalteils der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
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