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Stipendium für Migrantinnen : Zum Abschluss auf Umwegen

  • -Aktualisiert am

Laila Jiab hat mithilfe der Crespo Foundation ihren Realschulabschluss gemacht. Nun folgt die Ausbildung zur operationstechnischen Assistentin. Bild: Marcus Kaufhold

Mit ihrem Stipendium fördert die Crespo Foundation die Schulbildung von jungen Migrantinnen. Selbst wenn diese in ihrem Heimatland eine Schule besucht haben, zählt das in Deutschland nicht immer.

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          Als Geysa Ferreira da Silva ihr Zeugnis einreichte, hätte sie damit nicht gerechnet. Doch ihre achtjährige Schulbildung wurde in Deutschland nicht anerkannt – auf den Job im Kindergarten hatte sie keine Chance mehr. „Ich dachte, ich hätte mindestens einen Hauptschulabschluss“, erinnert sich Ferreira da Silva. Als sie vor 18 Jahren aus Brasilien hierher gekommen war, hatte sie erst einmal andere Sorgen gehabt. Die damals Neunzehnjährige musste Geld verdienen, deshalb arbeitete sie lange Zeit als Verkäuferin. Doch dann wurde sie schwanger, die Arbeit im Schichtdienst kam für sie nicht mehr in Frage. Deshalb wollte sie Erzieherin werden – und bewarb sich. Die Zusage des Kindergartens habe sie schnell bekommen, sagt die Siebenunddreißigjährige. Lediglich ihre Zeugnisse hätten noch geprüft werden müssen. Dann kam die böse Überraschung. Mittlerweile kann Ferreira da Silva lächeln, wenn sie sich an die Absage erinnert, doch damals saß der Schock tief.

          Für einen Job oder Ausbildungsplatz in Deutschland wäre ein Hauptschulabschluss die Mindestvoraussetzung gewesen. Ihre Leistung bei einem Sprachtest war dann aber so gut, dass sie direkt den Realschulabschluss machen durfte. Sie ging auf eine Privatschule. Als ihre Lehrerin irgendwann mitbekam, dass das Schulgeld zur Schwierigkeit wurde, empfahl sie der jungen Frau das Saba-Stipendium der Crespo Foundation. Mit dessen Hilfe schaffte sie vor kurzem den Realschulabschluss, nun will sie an einer anderen Privatschule das Fachabitur machen, um danach Soziale Arbeit zu studieren. Mittlerweile hat Ferreira da Silva zwei Kinder. In den Armbeugen steht „geliebter Sohn“ und „geliebte Tochter“ auf Portugiesisch.

          Geysa Ferreira hatte direkt eine Zusage zur Arbeit als Erzieherin. Doch ohne deutschen Schulabschluss durfte sie nicht im Kindergarten arbeiten.
          Geysa Ferreira hatte direkt eine Zusage zur Arbeit als Erzieherin. Doch ohne deutschen Schulabschluss durfte sie nicht im Kindergarten arbeiten. : Bild: Marcus Kaufhold

          Wenn morgen die Crespo Foundation ihre neuen Stipendiatinnen vorstellt, bedeutet das für viele der jungen Migrantinnen zum ersten Mal die Aussicht auf eine anerkannte Ausbildung. Zwar haben die meisten in ihren Heimatländern die Schule besucht. In Deutschland jedoch reicht das aus unterschiedlichen Gründen nicht immer aus. Deshalb finanziert die Stiftung von Wella-Erbin Ulrike Crespo seit 13 Jahren Frauen den Schulabschluss auf dem zweiten Bildungsweg.

          Am wichtigsten ist die Motivation

          Najat Daniel steht noch am Anfang ihrer Ausbildung. Eigentlich lacht die zierliche Frau oft, doch sobald es um ihre Ausbildung geht, schaut sie ernst. Die gebürtige Syrerin weiß, dass sie sich anstrengen muss: „Es ist eine Herausforderung, wieder in die Schule zu gehen. Ich lerne nicht in meiner Muttersprache, also muss ich Gas geben.“ Vor fünf Jahren ist sie nach Deutschland gekommen. Nun will die Vierunddreißigjährige an der Volkshochschule ihren Hauptschulabschluss nachholen, um Physiotherapeutin oder Krankenschwester zu werden. Als eine von 18 Migrantinnen wird die junge Frau deshalb von diesem Jahr an gefördert.

          Der Gründerin sei es ein Anliegen, Frauen zu fördern, die sich beruflich entwickeln möchten, sagt Projektleiterin Cora Stein. Weil viele von ihnen in ihrer Heimat nicht die Möglichkeit hatten, lange zur Schule zu gehen, will ihnen die Stiftung helfen. Dafür können sich in jedem Jahr Migrantinnen bewerben, die im Rhein-Main-Gebiet leben. Die Zahl der angebotenen Stipendien entspricht immer der Zahl an Frauen, die im Jahrgang zuvor ihren Abschluss gemacht haben.

          Najat Daniel: Sie arbeitet an ihrem Hauptschulabschluss, um Krankenschwester oder Physiotherapeutin zu werden. Doch das ist nicht immer einfach.
          Najat Daniel: Sie arbeitet an ihrem Hauptschulabschluss, um Krankenschwester oder Physiotherapeutin zu werden. Doch das ist nicht immer einfach. : Bild: Marcus Kaufhold

          Wichtigstes Auswahlkriterium sei die Motivation, sagt Stein. Nach einer schriftlichen Bewerbung werden alle Bewerberinnen zu einem Gespräch eingeladen. Wer genommen wird, bekommt das Schulgeld von der Stiftung. In Daniels Fall sind das 120 Euro, für Ferreira da Silva 350 Euro im Monat. Auch die Fahrtkosten werden übernommen. Die Kinderbetreuung wird mit monatlich maximal 150 Euro unterstützt, für Nachhilfe, Weiterbildungen und Bücher stehen im Monat bis zu 100 Euro zur Verfügung.

          Ziel: Der Aufbau eines Netzwerks

          „Viele Frauen hatten in ihrer Heimat nicht die Chance, lange zur Schule zu gehen, und können sich das Schulgeld nicht leisten. Für sie macht das Stipendium den Unterschied zwischen Bildung und keiner Bildung aus“, sagt Projektleiterin Stein. Manchmal gingen Zeugnisse und wichtige Dokumente auf der Flucht verloren – oder ein Schulabschluss werde wie in Ferreira da Silvas Fall in Deutschland nicht anerkannt. In den 13 Jahren, in denen es das Stipendium gebe, habe sie es noch nicht erlebt, dass eine Stipendiatin keine Lust mehr gehabt habe.

          Zusätzlich zur finanziellen Hilfe werden die Stipendiatinnen beraten und können an Gruppen- und Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen. So soll ein Netzwerk entstehen. Wenn eine Stipendiatin während des maximal dreijährigen Stipendiums noch einen weiteren Schulabschluss machen möchte, wird auch der gefördert. Eine Ausbildung oder ein Studium deckt das Stipendium aber nicht mehr ab. Stattdessen gibt es mit dem „Saba-Mentoring“ ein Anschlussprogramm, das im ersten Ausbildungs- oder Studienjahr eine ehrenamtliche Mentorin bereitstellt.

          Laila Jiab hat dank Saba zunächst ihren Hauptschulabschluss gemacht. Die Marokkanerin wohnt seit sieben Jahren in Deutschland, zwei davon war sie Stipendiatin. In dieser Zeit schaffte sie zum Hauptschul- auch noch den Realschulabschluss an einer Privatschule. Seit November absolviert die Dreiunddreißigjährige eine Ausbildung zur Operationstechnischen Assistentin. Im ersten Monat der Ausbildung sei sie oft überfordert gewesen, sagt Jiab. Ihre Mentorin habe sie aber davon abgehalten, einfach aufzugeben. „Schon als Kind war es mein Traum, im Operationssaal zu arbeiten. Ich wusste gar nicht, dass das auch mit Realschulabschluss möglich ist.“

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