Corona-Statistiken : Die Qualen mit den Zahlen
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Spritzentisch im Impfzentrum: Die Impfquote war nur einer von vielen Indikatoren, mit denen versucht wurde, den Verlauf der Pandemie zu beobachten. Bild: dpa
In drei Jahren Corona-Pandemie gab es Zahlen und Statistiken im Überfluss – aber auch viel Verwirrung darüber, was sie eigentlich bedeuten. Völlig vermeiden lässt sich das wohl kaum.
Inzidenz, Hospitalisierungsrate, R-Wert, Übersterblichkeit – an Zahlen und möglichen Indikatoren, wie es gerade um das Land und seine Bevölkerung steht, schien es im Verlauf der gesamten Corona-Pandemie nie zu mangeln.
Und auch nicht an Versuchen, sie übersichtlich und verständlich darzustellen: Das hessische Gesundheitsministerium etwa veröffentlichte über Monate ein tägliches Bulletin mit diversen Kennzahlen, das Robert-Koch-Institut (RKI) erstellte eine Übersichtsseite im Internet, auf der seit März 2020 die wichtigsten Werte für jedes Bundesland und jeden Landkreis vergleichbar dargestellt werden.
Zugleich entstand ein Bedarf an neuen Daten, die bisher nicht erfasst werden konnten. Das Bundesamt für Statistik experimentiert darum beispielsweise mit den Geodaten aus Millionen Handys, um damit in Echtzeit abzubilden, wie viele Leute gerade auf Straßen, Schienen und in der Luft unterwegs sind – etwa während der Lockdowns und danach.
Doch die tägliche Flut dieser Daten löste zum Teil mehr Fragen aus, als sie beantwortete. Wie aussagekräftig etwa ist ein Inzidenzwert, wenn nicht alle Infektionen gemeldet werden? Wie schnell kommen die Daten eigentlich zu den Ämtern? Oder: Wie glaubwürdig sind die Angaben über die Todesfälle?
Fast 12 000 infizierte Hessen sind in den drei Pandemiejahren laut den Amtsangaben gestorben. Das RKI erfasst dabei alle Gestorbenen, bei denen ein Labortest eine Infektion nachgewiesen hat. Ob sie am Virus selbst gestorben sind oder an anderen Krankheiten, das sei „in der Praxis häufig schwierig zu entscheiden“, heißt es von dem Bundesinstitut. Eine Studie mit 1129 Obduktionen habe aber ergeben, dass 86 Prozent der Infizierten an Covid-19 selbst gestorben seien, also bei ihnen die Infektion nicht nur eine Begleiterscheinung gewesen sei. Andererseits geht das RKI sogar davon aus, dass die offizielle Zahl der Corona-Toten zu niedrig ist, denn viele Gestorbene seien nicht auf das Virus getestet worden. Doch solche Einordnungen wurden von Kritikern nicht selten ausgeblendet.
Dazu kommt, dass die Daten nicht so schnell vorliegen, wie es in einer sich schnell entwickelnden Notlage wünschenswert wäre. Das lag anfangs schlicht an der Technik und uneinheitlichen Formularen, aber auch daran, dass medizinische und wissenschaftliche Untersuchungen nun einmal ihre Zeit benötigen. Für die Politik hieß das: Sie musste zur Gefahrenabwehr immer wieder Entscheidungen über Freiheitseingriffe treffen, ohne die aktuelle Lage genau zu kennen – und hoffen, dass die Zahlen ihr im Nachhinein recht geben. Einen Vergleich, wie die Zahlen ohne die Beschränkungen ausgesehen hätten, hatte sie dann aber auch nicht.