Die Odyssee nach dem Verdacht
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Seuchenbekämpfung im Digitalzeitalter: Vom Status einer „papierlosen Behörde“ ist das Frankfurter Gesundheitsamt weit entfernt. Bild: Wonge Bergmann
Die Furcht vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus ist plötzlich sehr real. Menschen mit Symptomen, die sich jetzt testen lassen möchten, müssen sich auf Schweißausbrüche und Nervenqualen einstellen. Denn das System ist so überlastet, dass es zu versagen beginnt.
Die junge Frau wollte nur das Richtige tun. Am Donnerstagmittag fühlte sie sich plötzlich schwummrig. Die sieben Kilometer mit dem Rad zur Arbeit schaffte sie kaum, schweißgebadet kam sie im Büro an. Der Kopf fühlte sich schwer an, wie in Watte gepackt, dann begann es auch noch im Hals zu kratzen. Die junge Frau, deren Name der Redaktion bekannt ist, war alarmiert – was, wenn sie sich mit dem Coronavirus infiziert hatte? Nicht unwahrscheinlich in einer Stadt, in der die Inzidenz längst über 100 lag und die Fälle im Bekanntenkreis immer zahlreicher wurden. Hatte sie während der ersten Welle nur wenige Erkrankte persönlich gekannt, wurden es jetzt immer mehr. Ihrem Mann war es die vergangenen zwei Tage auch nicht gutgegangen. Jeden Abend hatte er mit Halsweh und Hitzegefühl auf dem Sofa gelegen und kaum ein Wort gesprochen.

Redakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.
Also beschloss die junge Frau, das Vernünftige zu tun. Im Kopf ging sie die Konsequenzen durch, die entstehen würden, wenn sie die Zeichen ignorieren und sich am Ende herausstellen würde, dass sie doch infiziert ist: Mit drei Kollegen hatte sie in dieser Woche im Büro gesessen. Mit ihrem Chef hatte sie ein längeres Gespräch geführt. Ihre engste Freundin, die sie abends mehrmals getroffen hatte, wollte wenige Tage später die Wohnung wechseln und hatte ein Umzugsunternehmen beauftragt. Mit anderen Freundinnen hatte sie ein paar Tage vorher noch einen Geburtstag gefeiert, im kleinen Kreis. Und ihr Mann – der war jeden Tag im Büro gewesen, hatte Kontakt zu seinen Büronachbarn gehabt. Sie rief also ihre Kollegen im Homeoffice an, desinfizierte ihren Platz, machte die Fenster auf und fuhr nach Hause. „Wir kriegen das schon hin ohne dich, mach dir keine Sorgen“, hatte einer am Telefon gesagt.
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