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Corona-Kritiker in Frankfurt : Das Vertrauen verloren

Will die Bewegung seriöser und bürgerlicher machen: Hajo Köhn, ein früherer Occupy-Aktivist Bild: Diana Cabrera Rojas

Sie fühlen sich diffamiert: als Reichsbürger, als Verschwörungstheoretiker, als Spinner und Aluhüte, als Unverbesserliche. Am Samstag gehen die Kritiker der Corona-Maßnahmen wieder in Frankfurt auf die Straße. Was sind das für Menschen?

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          Da ist die Frau, die in einer Kindertagesstätte arbeitet und die sagt, dass sie sich Sorgen um die Kinder macht. Dass die Isolation den Kleinen nicht guttut, dass Kinder es brauchen, ihre Freunde zu treffen und zu spielen. Und dass es unverantwortlich sei, ihnen das über einen so langen Zeitraum zu verweigern.

          Alexander Jürgs
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Da ist die Ärztin, die von ihrem schwerbehinderten Sohn erzählt, der in einem Wohnheim lebt und den sie über Wochen nicht besuchen durfte. Weil er nicht verstehen konnte, dass er seine Mutter nicht mehr sehen darf, hat er angefangen, sich selbst zu verletzen. Da ist der Zahnarzt, der sagt, dass er sich gegen die Lobbyisten der Pharmaindustrie engagieren will, der davon erzählt, wie er in den sozialen Medien nach Gleichgesinnten suchte und sich ärgerte, als seine Posts bei Facebook und Nebenan.de gelöscht wurden.

          Da ist die Frau, die behauptet, das Virus sei bloß ein Vorwand, um Impfungen und eine Impfpflicht durchzusetzen. Und da ist der Bankkaufmann, der sagt, dass die Corona-Maßnahmen übertrieben seien, dass man besser gezielt die Risikogruppen schützen müsse, statt ein ganzes Volk einzuschränken. Da ist der Mann, der sich darüber beklagt, dass die „Tagesthemen“ einem Interview mit Bill Gates so viel Zeit eingeräumt haben und dass andere, kritische Stimmen in den Medien dagegen kein Gehör fänden. Und da ist schließlich einer, der vergleicht den Mundschutz mit einem Maulkorb. „Die Grundrechte werden missachtet.“

          Sie fühlen sich diffamiert

          Sie fühlten sich abgestempelt, sagen die gut 20 Menschen, unter ihnen mehr Männer als Frauen, die zu dem Treffen in einem Weinkeller nahe der Freßgass’ gekommen sind, um zu planen, wie es weitergehen soll mit den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Sie fühlen sich diffamiert: als Reichsbürger, als Verschwörungstheoretiker, als Spinner und Aluhüte, als Unverbesserliche. Sie erzählen von Nachbarn, von Freunden und von Familienmitgliedern, die nicht verstehen können, warum es sie „zu diesen Demos“ zieht.

          Kaum einer von ihnen war zuvor politisch engagiert, erst die Corona-Krise hat sie dazu gebracht, auf die Straße zu gehen. Häufig fällt an diesem Abend der Satz, dass ihnen das Vertrauen in den Staat, in die Politik verlorengegangen ist. Manche werden schnell laut und aufbrausend, wenn sie sprechen, machen aus ihrer Empörung kein Geheimnis. Andere sind abwartender, ruhiger, melden sich nur selten zu Wort.

          Der Kopf der Gruppe, der selbst nicht so genannt werden möchte, ist Hajo Köhn, ein eloquenter Redner, ein einnehmender, auch humorvoller Mann, 67 Jahre alt, Rentner. Er meldet die Demos an, er spricht dort, führt Regie. Köhn gehört nicht zu jenen, für die politisches Engagement Neuland ist. Er war in der Occupy-Bewegung aktiv, er hat im globalisierungskritischen Netzwerk Attac mitgearbeitet, hat mit anderen die Frankfurter Proteste gegen das Freihandelsabkommen TTIP auf die Beine gestellt. Er hat auch eine Gruppe ins Leben gerufen, die sich „Neue Geldordnung“ nennt. Ziel der Initiative ist es, Ideen für eine gerechtere Finanzordnung zu entwickeln. Köhn sagt von sich, dass er ein Linksliberaler sei.

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