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Bridge : Für einen Euro Kartenglück

Am grünen Tisch: Viel mehr Frauen als Männer spielen beim Turnier im Pflegeheim Riedhof Bridge. Marlies Diergardt, in oranger Jacke, sortiert gerade ihre Karten. Bild: Waldner, Amadeus

Bridge ist eine Welt mit eigenen Regeln, aber auch mit Nachwuchssorgen. Denn deutschlandweit spielen nur 500 Jugendliche das Kartenspiel. Dabei will der Sport das Alt-Damen-Image loswerden.

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          Auf einmal spricht Marlies Diergardt ganz leise. Vorsichtig lehnt sie sich hinüber und fährt sich mit den Fingern durch die Haare. Sie kenne zwei alte Damen, flüstert sie. Die seien beide 92 Jahre alt und spielten seit Jahrzehnten miteinander Bridge. Doch seit ein paar Wochen seien sie wegen einer Partie so zerstritten, dass sie kein Wort mehr wechselten. „Abwechselnd kommen sie zu mir und beschuldigen sich gegenseitig“, sagt Marlies Diergardt.

          Benjamin Fischer
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Dann muss sie sich wieder konzentrieren. Es ist Freitagnachmittag, die Zweiundachtzigjährige sitzt am Eingang des großen Gemeinschaftsraums im Pflegeheim Riedhof in Sachsenhausen und kassiert je einen Euro Startgeld für das Paarturnier des Frankfurter Turnier-Bridge-Vereins. In der anderen Ecke des Raumes steht ein Gummibaum, die Vorhänge an der langen Fensterfront sind aufgezogen, im Raum gibt es mehr als ein Dutzend Tische. Draußen schleppt ein älterer Mann seine Einkäufe in ein Wohnhaus.

          Bridge als Ruhestandsprojekt

          „Heute sind wieder vor allem Frauen da. Bei unseren Turnieren sind wir immer in der Überzahl“, sagt Marlies Diergardt. Der Raum füllt sich inzwischen langsam, und die alten Leute sind angeregt in Gespräche vertieft. Einige wenige warten noch darauf, dass sich für sie ein Partner findet. Diergardt tröstet: „Wir wissen doch, dass die, die am nächsten wohnen, häufig als Letzte kommen.“

          Jeder kann hier eine Geschichte davon erzählen, wie ihn die Bridge-Sucht gepackt hat. Gabriele Zirkel zum Beispiel hat das Kartenspiel erst im Ruhestand gelernt. Die Sechsundsechzigjährige mit dem schwarzen Jackett, der blau-weiß gestreiften Bluse und der roten Hose hatte während ihres Berufslebens keine Zeit zum Spielen. „Klar, ich hätte jetzt auch eine Fremdsprache lernen oder verreisen können“, sagt sie. Doch mit Bridge als Ruhestandsprojekt ist sie vollends ausgelastet - und versteht sich auch nach vier Jahren noch als Lernende.

          Brigde sei kein Glücksspiel

          23 Paare haben sich am Ende für das Turnier angemeldet. Die Damen haben die Handtaschen über die Stuhllehnen gehängt, das knappe Dutzend Männer unterhält sich. Dann tritt Eugen Jumpertz auf, der Vorsitzende des Vereins und Spielleiter des Turniers. In Jeans und Hemd bedient er den Computer, der das Spiel-Ergebnis nach dem Wettkampf direkt ins Internet überträgt. Bevor es losgehen kann, fragt der Fünfzigjährige in die Runde: „Sollen wir heute mit elf oder mit 14 Bridge-Runden spielen?“ Die Spieler sind uneins. Laut rufen sie durcheinander - am Ende entscheidet Jumpertz. „Heute mal 14 Runden!“ Ein Mann an einem der Tische murmelt: „Schwer, alle unter einen Hut zu bringen - auch in diesem Alter.“

          Für den enormen Frauenüberschuss bei Turnieren wie diesem hat Jumpertz eine einfache Erklärung: Seiner Ansicht nach ist das Bridge-Universum klar strukturiert. Es gibt die einen, die nur ihren Spaß haben wollen, und die anderen, die den Sport ernsthaft betreiben. Die Freizeitsportler sind vor allem ältere Frauen im Ruhestand, in den höheren Ligen „spielen die ganzen Männer, die Informatiker und die Mathematiker“, sagt Jumpertz. Unheimlich flink im Kopf seien die, und sie zeigten, dass Bridge eben kein Glücksspiel sei. Vielmehr komme es auf logisches Denken unter großem Zeitdruck an, schließlich dauere eine Runde nur etwa sieben bis acht Minuten, ein ganzes Turnier dagegen leicht einmal drei, vier oder noch mehr Stunden. Da sei gute Konzentration gefragt.

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