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Kommunalwahl Frankfurt : Der Wunsch nach Teilhabe

Barbara Lange, Spitzenkandidatin der Polnischen Dialoginitiative für die Kommunalwahl in Frankfurt. Bild: Ela Kaleta

Von den etablierten Parteien fühlen sie sich nicht repräsentiert. Bei der Kommunalwahl in Frankfurt treten deshalb Polen, Rumänen und Bulgaren mit eigenen Listen an. Die Chancen auf einen Sitz sind gut.

          3 Min.

          Die Auswahl der Parteien ist bei der Kommunalwahl groß wie nie. Neu dabei sind diesmal drei Listen, die Wähler aus bestimmten EU-Ländern in den Blick genommen haben. Ob „Rumänen für Frankfurt“, „Bulgarische Gemeinschaft“ oder „Polnische Dialoginitiative“: Gemein ist allen Gruppierungen der Wunsch, stärker wahrgenommen zu werden und mehr am politischen Entscheidungsprozess teilhaben zu können.

          Monika Ganster
          Redakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.

          Die Interessen der EU-Bürger, die in Frankfurt leben und daher am 14. März wahlberechtigt sind, wollen jedoch auch die etablierten Parteien vertreten. Wieso braucht es da überhaupt eigene Listen? „Demokratie zu rechtfertigen liegt mir nicht so“, sagt Ionut Plenz mit freundlichem Lächeln. Er ist Spitzenkandidat der „Rumänen für Frankfurt“ und schon seit vielen Jahren ehrenamtlich für die Interessen seiner Landsleute aktiv.

          „Wir Rumänen werden nicht repräsentiert“, sagt Plenz. Es gebe in der Stadtverordnetenversammlung nur eine Handvoll Personen, die einen migrantischen Hintergrund hätten. Dieses Missverhältnis beklagen auch die Spitzenkandidatinnen der anderen beiden Listen, Daniela Spasova-Mischke für die Bulgaren und Barbara Lange für die Polen in Frankfurt. „Dieses Jahr gibt es insgesamt acht Listen mehr als vor fünf Jahren, das ist schon ein Zeichen dafür, dass die etablierten Parteien viele Wähler nicht mehr abholen und Themen nicht aufgreifen“, sagt Lange. Das Potential ihrer Landsleute werde in der Stadt zu wenig wahrgenommen. „Wir Polen integrieren uns schnell, konzentrieren uns dann auf Arbeit und Familie und werden schnell unsichtbar, weil wir nicht unangenehm auffallen“, sagt Lange. Und Plenz fügt hinzu: „Viele Rumänen arbeiten in systemrelevanten Berufen, als Paketboten oder in der Fleischindustrie. Sie werden gebraucht, aber es gibt nicht genug Wohnungen oder Kindergartenplätze für sie.“

          Spitzenkandidat der „Rumänen für Frankfurt“: Ionut Plenz.
          Spitzenkandidat der „Rumänen für Frankfurt“: Ionut Plenz. : Bild: privat

          Insgesamt rund 30.000 Wähler in Frankfurt

          Alle drei Listen zielen zusammen auf mindestens 30.000 Wähler unter ihren Landsleuten. Wenn sie die Mehrheit davon für sich mobilisieren könnten, hätten sie gute Chancen mindestens einen Sitz im Stadtparlament zu erreichen. Sie haben jedoch viele Themen auf ihrer Agenda, die auch für andere Stimmberechtigte interessant sein dürften. So ist etwa bezahlbarer Wohnraum für Familien und Kleinverdiener nicht nur für diese drei Listen Wahlkampfthema. Die Bulgarische Gemeinschaft setzt einen Schwerpunkt auf Bildungsthemen: Renovierung und eine bessere digitale Ausstattung der Schulen sind ihnen wichtig. Gerne würden sie die Nachmittagsbetreuung ausweiten und auf gesunde Ernährung für Schüler setzen. Im Programm finden sich aber auch die Forderung nach mehr Polizeipräsenz, insbesondere im Bahnhofsviertel, um die Sicherheit zu erhöhen, und Bußgelder für achtlos weggeworfenen Müll.

          Die „Rumänen für Frankfurt“ wünschen sich mehr Digitalisierung der Mehrsprachigkeit, Angebote und Informationen der Stadt erreichten ihre Landsleute zu selten. Viele Texte würden nur auf Deutsch veröffentlicht. Plenz nennt als ein Beispiel die Mülltrennung: Eine Handreichung in mehreren Sprachen könne doch einfach dabei helfen, dass der richtige Abfall in der gelben Tonne landet.

          Brückenbauer in die eigene Community

          Für Lange von der „Polnischen Dialoginitiative“ ist wichtig, Brücken von der Stadtpolitik in die eigene Community zu bauen. „Wir müssen auch zeigen: Diese Stadt liegt uns am Herzen, wir wollen uns engagieren.“ So wie im vergangenen Jahr, als sich die polnische Community an der Putzaktion am Mainufer beteiligte oder Ehrenamtliche die Frauen-Guide-App der Stadt ins Polnische übersetzten.

          Auch wenn sie nicht auf Plakaten im Stadtgebiet auftauchen: Ihre Klientel erreichen die Listen vor allem über die sozialen Medien, sie haben zum Teil mehrere Facebook-Gruppen, Instagram-Accounts oder führen einen Blog, wie die „Polnische Dialoginitiative“, die damit auch Menschen ohne Smartphone erreichen will. Daneben nutzen sie Kontakte über Vereine, Lebensmittelgeschäfte und auch Sonntagsschulen, in denen hauptsächlich Landsleute verkehren.

          Ihre Unabhängigkeit von Parteien im In- und Ausland ist allen drei Gruppierungen wichtig. „Wir beschäftigen uns hier nicht mit polnischer Politik, sondern machen Kommunalpolitik“, fasst Lange zusammen. Dazu sei es notwendig und gewünscht, mit etablierten Parteien zusammenzuarbeiten. Welche das sind? „Alle, die gemäßigt sind“, sagt Lange.

          Vor fünf Jahren hatte sich schon einmal eine polnische Gruppe, allerdings vergeblich, um den Einzug in die Kommunale Ausländervertretung (KAV) bemüht. Nun hat die „Polnische Dialoginitiative“ gleich zwei Eisen im Feuer: eine Liste für die KAV, eine fürs Stadtparlament. Diese Doppelstrategie fahren auch die „Rumänen für Frankfurt“. Über die KAV wolle man sich für Ausländerthemen, über den Römer für kommunale Politik starkmachen.

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