Angeblicher „Sex-Mob“ : Gastronom unter Verdacht – Entschuldigung von „Bild“
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Alles unter Kontrolle: Die Polizei im Einsatz an Silvester auf dem Römerberg in Frankfurt Bild: dpa
Die „Bild“-Zeitung hatte von einem „Sex-Mob“ auf der Frankfurter Freßgass berichtet, den es gar nicht gab. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Zeugen. Und die „Bild“ sinniert über ihre journalistischen Standards.
Der Gastronom Jan Mai ist plötzlich wortkarg. In seiner Bar „First In“ war er gestern nicht erreichbar, seine Mitarbeiter wirkten angespannt. Dabei hat der Frankfurter sonst durchaus viel zu sagen. Zum Beispiel über die vergangene Silvesternacht. Seine ausführlichen Schilderungen über „Araber“, die in seiner Bar „First In“ an der Freßgass’ gewütet, Gläser ausgetrunken und Frauen angegrapscht haben sollen, sorgten vergangene Woche für großen Wirbel.
Die AfD und auch der selbsternannte Oberbürgermeister-Kandidat Volker Stein warfen dem Magistrat vor, mit ihrem Sicherheitskonzept versagt zu haben. Doch nun stellt sich die Geschichte ganz anders dar: Nach den Ermittlungen der Polizei hat es den „Sex-Mob“ auf der Freßgass nie gegeben. Stattdessen wird nun gegen Mai selbst ermittelt – wegen Vortäuschen einer Straftat, wie gestern die Staatsanwaltschaft bestätigte. Dass die von Mai beschriebenen Straftaten so gar nicht verübt wurden, verwundert nicht.
Schon kurz nach Veröffentlichung der drastischen Schilderungen Mais, die die „Bild“-Zeitung zu einer großen Geschichte machte mit der Überschrift „Sex-Mob tobte in der Freßgass“, waren erste Zweifel aufgekommen. Andere Gastronomen an der Freßgass’ konnten sich nicht an derartige Szenen in der Silvesternacht erinnern. Zudem wurde bekannt, dass Mai, offenbar AfD-Sympathisant, schon öfter mit kritischen Kommentaren gegenüber Flüchtlingen aufgefallen war. Gestern teilte die Polizei schließlich mit, die „in den Raum gestellten Vorwürfe sind haltlos und entbehren jeder Grundlage“. Das hätten „die intensiven und umfangreichen Ermittlungen der Polizei“ ergeben.
Die Überprüfungen sämtlicher Notrufe und Einsatzprotokolle der Nacht hätten „keine Hinweise auf die im Raum stehenden Straftaten und den angeblichen Mob“ ergeben. Auch seien bis heute keine weiteren Straftaten an der Freßgass’ angezeigt worden. „Die Vernehmungen der genannten Zeugen, Gäste und Mitarbeiter, ergaben erhebliche Zweifel an den dargestellten Schilderungen.“ Besonders brisant ist dabei, dass eine Mitarbeiterin Mais, Irinia A., die in der „Bild“-Zeitung mit den Worten zitiert worden war, die Männer hätten ihr „unter den Rock, zwischen die Beine, an meine Brüste, überall hin“ gefasst, in der Silvesternacht nach derzeitigen Erkenntnissen gar nicht in Frankfurt war. Die Polizei geht Hinweisen nach, wonach sie sich im Ausland aufgehalten haben soll. Genauer gesagt in Belgrad.
Die „Bild“-Zeitung selbst machte noch am Montagabend die Ermittlungen gegen den Frankfurter Gastronomen und seine Mitarbeiterin bekannt und gestand Fehler ein. Gestern dann folgte eine ausführliche Entschuldigung auf ihrer Internetseite: „Die Bild-Redaktion“, heißt es dort, „entschuldigt sich ausdrücklich für die nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung und die erhobenen Anschuldigungen gegen die Betroffenen. Diese Berichterstattung entspricht in keiner Weise den journalistischen Standards von ,Bild’.“ Man wolle nun intern klären, wie es zu dieser Falschmeldung gekommen sei. Über Twitter gab Chefredakteur Julian Reichelt zudem bekannt, er werde „zeitnah mitteilen, welche Konsequenzen ,Bild’ daraus zieht“.
Auch die AfD-Fraktion im Römer rudert inzwischen zurück: Deren Vorsitzender Rainer Rahn hatte nach dem „Sex-Mob“-Artikel eine Pressemitteilung herausgegeben und gegen das Sicherheitskonzept der Stadt gewettert, das seiner Ansicht nach nicht aufgegangen war. „Das ist geradezu wie aus dem Handbuch! Natürlich war zu erwarten, dass sich der Sex-Mob von der Feier-Meile verlagert und nicht freiwillig von seinen Absichten abrückt“, schrieb Rahn. Sicherheitsdezernent Markus Frank (CDU) könne „sein Sicherheitskonzept unmöglich weiterhin als Erfolg verkaufen“. Gestern sagte Rahn auf Anfrage: „Unsere Einschätzung des Falles war offensichtlich falsch.“