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225 Jahre Bürgerhospital : Mitleidig und freundlich hatten Krankenwärter zu sein

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So schön kann ein Krankenhaus also auch sein, geschmackvoll eingerichtet, licht und freundlich statt weiß und steril. Viele Details erinnern an die Ausstattung eines Hotels, zum Beispiel gleich in der Eingangshalle das Service- und Informationscenter, das einer Rezeption ähnelt.

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          So schön kann ein Krankenhaus also auch sein, geschmackvoll eingerichtet, licht und freundlich statt weiß und steril. Viele Details erinnern an die Ausstattung eines Hotels, zum Beispiel gleich in der Eingangshalle das Service- und Informationscenter, das einer Rezeption ähnelt. Der Weg zu den Zimmern führt über Flure, die in dezentem Blau, Gelb und Grün gestrichen sind. Ein Krankenhaus sucht zwar niemand freiwillig auf. Aber in dieser Umgebung mit vielen liebevollen Details wie Bildern, frischen Blumen, indirekter Beleuchtung und Sitzecken mit Holzmöbeln kann man sich zumindest wohlfühlen. Das Bürgerhospital, das am Freitag mit einem Festakt im Römer sein Bestehen seit 225Jahren feiert, steht für hohe medizinische Professionalität in wohnlicher Atmosphäre.

          Die Anfänge im Jahre 1779 nehmen sich dagegen bescheiden aus. Zwölf Patienten waren damals in einem Krankenzimmer untergebracht. Und jene, die sich auf dem Weg der Besserung befanden, mußten ihre Morgentoilette unter freiem Himmel an einem Brunnen im Hof des Bürgerhospitals erledigen. Mehr noch, sie wurden zu leichten Arbeiten herangezogen, zu Küchen- oder Putzdiensten beispielsweise.

          Zeitwechsel: Auf der operativen, interdisziplinären Privatstation wird heute mittag gerade das Essen serviert. "Die Verpflegung ist wirklich sehr gut", versichert eine Patientin. Voll des Lobes ist eine Mutter, die im Nachbarzimmer ihren Sohn besucht. "Hier ist alles freundlich und sehr schön. So habe ich mir das nicht vorgestellt." Das Zimmer, in dem der Sohn untergebracht ist, verfügt über Schreibtisch, Mini-Stereoanlage, einen kleinen Kühlschrank hinter Holzverkleidung und ein modernes Bad. So komfortabel freilich sind nicht alle Zimmer ausgestattet, aber Waschbecken und WC gehören zum Standard, meistens sogar eine Dusche.

          Wer weiß, wie lange der erste Patient des Bürgerhospitals, Johann Matthäus Auerhammer, unter solchen Bedingungen geblieben wäre. Über ihn hat der Historiker Thomas Bauer, der sich auf Frankfurter Stadtgeschichte spezialisiert hat, bei seinen Recherchen einen siebenzeiligen Aufnahmeschein gefunden. Demnach hatte der ehemalige Wirt des Gasthauses "Zum schwarzen Bock" mit einem schmerzhaften Druckgefühl in der Brust im Bürgerhospital Hilfe gesucht - er litt vermutlich an Angina pectoris - und das Spital erst nach neun Monaten wieder verlassen. Nur dorthin konnten sich seinerzeit in Not geratene, alleinstehende Frankfurter Bürger in stationäre Behandlung begeben. Bis ins frühe neunzehnte Jahrhundert galten Krankenhäuser nämlich als "Pforten zum Tode", und es war üblich, von Familienangehörigen in den eigenen vier Wänden gepflegt zu werden. Wer es sich leisten konnte, rief einen approbierten Arzt. Um diese Versorgungslücke zu schließen, hatte der Frankfurter Arzt Johann Christian Senckenberg das Bürgerhospital gestiftet.

          Nach fast achtjähriger Bauzeit war die Klinik am 21. März 1779 an der Straße Hinter der Schlimmen Mauer, der heutigen Stiftstraße, feierlich eröffnet worden. Bis Ende des Jahres wurden in dem Haus unweit des Eschenheimer Turms 44 Patienten auf Kosten der Dr. Senckenbergischen Stiftung behandelt, darunter viele durch "Armuth, Alter und Krankheit unheilbar gewesene Personen", so daß nur 14 als geheilt entlassen werden konnten. Auerhammer zählte nicht dazu, aber sein Zustand hatte sich gebessert, als er ging, was er vor allem einer gesunden Ernährung und einem sauberen Bett zu verdanken hatte.

          Die medizinischen Möglichkeiten waren damals bescheiden, um so mehr wurde auf einen angenehmen Umgangston geachtet. So hatten sich die Krankenwärter gegenüber den Patienten "mitleidig, geduldig, freundlich und unverdrossen" zu zeigen, alles Fluchen, alle ärgerlichen Reden und Zank zu vermeiden. Ein freundliches Klima zeichnet das Bürgerhospital bis heute aus. Nach Gründen für den guten Ruf der Klinik gefragt, antwortet Verwaltungsdirektor Jürgen Wauch: Der gute Geist der Schwestern des Evangelischen Diakonievereins in Berlin-Zehlendorf, die 1902 den Pflegedienst übernahmen, trage maßgeblich dazu bei. Und auch die Führungsebene spiele eine entscheidende Rolle. Der Ton, der untereinander und gegenüber den Angestellten gepflegt werde, übertrage sich auf die Patienten.

          Wenn das Senckenberg wüßte. Leider hat der Wohltäter nicht einmal die Eröffnung des Bürgerhospitals miterlebt. Bei der Inspektion des gerade auf dem Nordflügel vollendeten Uhrtürmchens stürzte er am 15. November 1772 vom Baugerüst in die Tiefe. An jenem verhängnisvollen Sonntag hatte Senckenberg schon morgens über Schwindelgefühle geklagt. Ob er beim Besteigen des Uhrtürmchens einen erneuten Anfall erlitt oder einen Fehltritt machte, bleibt ungeklärt. Er starb noch am selben Tag. Das Ergebnis der Sektion lautete auf Genickbruch.

          Kontinuierlich ausgebaut, zog das Bürgerhospital 1907 an die Nibelungenallee um. Dort hat es bis heute seinen Standort, wo es Tradition mit modernster Medizintechnik verbindet. BRIGITTE ROTH

          Beim "Tag der offenen Tür" gewährt das Bürgerhospital, Nibelungenallee 37-41, am Samstag von 10 bis 18Uhr einen Einblick in seine Arbeit.

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