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Frankfurt Rödelheim : Napoleons Soldatengräber freigelegt

Opfer des Krieges: Die Soldaten sind vermutlich an Verletzungen oder Typhus gestorben. Bild: Marcus Kaufhold

Im Jahr 1813 befand sich das Heer Napoleons auf dem Rückzug zum Rhein. Die Soldaten zogen dabei auch durch Rödelheim. Dort sind nun bei Bauarbeiten 200 Skelette entdeckt worden.

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          Zwischen den Rippen eines Skeletts liegen zwei blanke Knöpfe. Nach ihrer Machart könnten sie von der Uniform eines napoleonischen Soldaten stammen, meint die Leiterin des Denkmalamts, Andrea Hampel. In Nord-Süd-Ausrichtung sind die Gräber angelegt, die in Rödelheim westlich des Bahnhofs bei Bauarbeiten für ein Wohn- und Geschäftshaus entdeckt worden sind. 200 Skelette sollen auf dem Areal entlang der Breitlacherstraße liegen. Gemeinsam mit Planungsdezernent Olaf Cunitz (Die Grünen) stellte Hampel die Fundstelle vor.

          Bernd Günther
          Freier Autor in der Rhein-Main-Zeitung.

          Aus ersten Untersuchungen sei zu schließen, dass es sich um Soldatengräber handelten und die Toten aus dem Jahr 1813 stammten. Das Jahr, in dem sich das französische Heer unter Napoleon nach der entscheidenden Niederlage bei der Leipziger Völkerschlacht auf dem Rückzug zum Rhein befand und dabei historischen Quellen zufolge auch Rödelheim durchquerte. Einzelgräber seien nicht entdeckt worden, vielmehr lägen in den 30 freigelegten Grabschächten jeweils mehrere Personen. „Zumeist paarweise nebeneinander, in bis zu fünf Lagen, Kopf auf Kopf, aber auch Kopf auf Füße“, sagte Hampel. Es handele sich ausschließlich um Männer; Kinder oder ältere Menschen seien nicht unter den Toten. Womöglich sei am Standort ein Feldlazarett eingerichtet gewesen, vermutet Hampel. Die Opfer könnten Verletzungen, aber auch einer Typhusepidemie erlegen sein, die damals unter den geschwächten Soldaten ausgebrochen sei. Jedenfalls handele es sich um Notbestattungen außerhalb eines Friedhofs.

          Bau soll sich nur wenige Wochen verzögern

          Rund eineinhalb Meter unter Straßenniveau sind die Gräber entdeckt worden. Auf dem insgesamt 8000 Quadratmeter großen Areal westlich der Bahngleise laufen seit Mitte des Jahres die Erdarbeiten für einen Neubau mit 67 Wohnungen, Einzelhandelsfläche im Erdgeschoss und Tiefgarage. Auch soll am Ausgang der vom Baruch-Baschwitz-Platz kommenden Bahnunterführung der Arthur-Stern-Platz mit einem kleinen Busbahnhof angelegt werden. Die für Frühjahr 2017 vorgesehene Fertigstellung des rund 30 Millionen Euro teuren Gebäudekomplexes werde sich durch die Ausgrabung wohl nur wenige Wochen verzögern, hofft Jürgen Langendorf von der Investorengesellschaft. Mit weiteren Entdeckungen sei nicht zu rechnen, da das restliche Gelände schon abgesucht sei.

          Ganz überraschend sei der Fund nicht, sagte Hampel. Im Umfeld seien schon Ende der siebziger Jahre beim Bau eines Supermarktes sowie eines Wohnhauses mehrere Skelette entdeckt worden. Für die aktuelle Baumaßnahme seien darum im Baugenehmigungsverfahren Auflagen für mögliche denkmalrechtliche Untersuchungen festgeschrieben worden, sagte Planungsdezernent Cunitz.

          Keine vergleichbaren Funde in Hessen

          Der Stadtrat, der Historiker ist, zeigte sich angetan, dass „2015, also 200 Jahre nach der Schlacht von Waterloo“, auch hier in der Region ein Fund gemacht werde, der helfe, das Wissen um unsere Geschichte zu festigen. Womöglich handle es sich bei den Toten um Soldaten, die im Oktober 1813 in der „Schlacht bei Hanau“ verletzt worden seien, meint Cunitz. Französische Truppen waren dort auf Soldaten aus Bayern und Österreich getroffen. Mehr als 100.000 Soldaten seien beteiligt und weit über 15.000 Tote zu beklagen gewesen.

          Die Leiterin des Denkmalamts stufte die Rödelheimer Grabstellen insofern als „archäologisch bedeutend“ ein, als vergleichbare Funde in Hessen bisher nicht verzeichnet seien. Dies liege allerdings auch daran, dass Entdeckungen aus dieser Zeit erst seit 2006 archäologisch bearbeitet würden. Die Skelette würden nun alle freigelegt, geborgen und untersucht. Hampel will an den „gut erhaltenen Knochen“ auch eine sogenannte Isotopenuntersuchung vornehmen lassen. Dabei könnten Rückschlüsse gewonnen werden zur geographischen Herkunft der Soldaten. Immerhin seien nicht nur Franzosen, sondern etwa auch Niederländer und Dänen in Napoleons „Grande Armée“ 1812 zum Russland-Feldzug aufgebrochen. Zudem könnte so auch festgestellt werden, ob Rödelheimer unter den Toten seien, sagte Hampel.

          Später sollen die Skelette in den Archiven des Denkmalamts verwahrt werden. Die sterblichen Überreste aus den ersten in Rödelheim entdeckten Grabschächten seien hingegen noch auf dem Hauptfriedhof beigesetzt worden. Mit Hinweis auf ambitionierte Hobby-Archäologen, die in Frankfurt immer wieder anzutreffen seien, sagte Hampel, dass die Gräber in Rödelheim mit keinerlei Beigaben versehen gewesen seien - bis auf ein paar Knöpfe.

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