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„Heimat gefunden“ : Flüchtlinge aus dem Iran lassen sich taufen

  • Aktualisiert am

Bekenntnis: Pfarrer Sven Engel von der Darmstädter Matthäusgemeinde tauft einen Flüchtling (nachgestellte Szene) Bild: dpa

Wenn sich Flüchtlinge taufen lassen, müssen sie es ernst meinen und Geduld mitbringen. In Darmstadt entschlossen sich einige Männer in einer evangelischen Gemeinde zu diesem Schritt.

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          „No“, sagt Amir auf Englisch mit fester Stimme. Nein, meint der 30 Jahre alte Flüchtling, er habe sich nicht taufen lassen, um dann wegen möglicher Gefahren Zuhause im Iran bessere Chancen zu haben, in Deutschland bleiben zu können. Ganz neu sei ihm der christliche Glaube nicht gewesen. „Ich wollte etwas zu Ende bringen“, erzählt er in Darmstadt. Also ließ sich Amir wie einige andere Flüchtlinge in der evangelischen Matthäus-Gemeinde taufen.

          Im Iran habe er nicht als Moslem gelebt, berichtet Amir. „Ich habe Alkohol getrunken.“ Und auch eine Bibel besessen. Seine Entscheidung für die evangelische Kirche sei klar: „Die Theologie von Martin Luther, die ist besser für mich.“

          Sorgen um Familien zu Hause

          Von den drei Flüchtlingen, die in der Kirchengemeinde von ihrer Zeit im Iran und der Taufe berichten, nennt nur Amir seinen Namen - und auch nur den Vornamen. Die beiden anderen, 25 und 28 Jahre alt, wollen über ihre Identität so gut wie nichts preisgeben. „Sie haben Sorgen um ihre Familien zu Hause“, erklärt Pfarrer Sven Engel. Deshalb sei auch bei der Taufe darauf verzichtet worden, auf dem Gottesdienstblatt die Namen zu nennen.

          Die Geschichten, die die Flüchtlinge erzählen, sind ähnlich. An die Regeln des Koran habe sich keiner von ihnen gehalten, erzählen sie. „Alles in unserer alten Religion ist wie eine Lüge“, meint der 28 Jahre alte Mann. Eines habe er gewusst, sagt Amir: „Mein Verhalten hätte mich ins Gefängnis bringen können“. In Darmstadt angekommen, hätten sie nach einem kirchlichen Anschluss gefragt und seien in der Matthäus-Gemeinde gelandet. „In der Religion im Iran gibt es Zwänge, hier nicht“, sagt der 25 Jahre alte Mann.

          Früher, erzählt Pfarrer Engel, sei eine Erwachsenentaufe „ganz selten gewesen“. Jetzt 2016 hätten sich in der Gemeinde schon fünf Flüchtlinge dazu entschlossen, eine ähnlich große Gruppe habe noch Interesse. „Ich bin nicht in diesem Sinne missionarisch, dass ich sage, ein Muslim muss ein Christ werden. Ich denke auch, dass es im Fall eines Asylantrags nichts bringt.“ In der Gemeinde gebe es bereits Flüchtlingsarbeit. „Wir verstehen uns als diakonische Gemeinde.“

          Fünf bis sechs Vorbereitungstreffen habe es gegeben, „bei denen wir uns Kerngedanken und Texte des christlichen Glaubens angesehen haben, die Taufe, das Abendmahl, das Vater Unser“, erzählt Pfarrer Engel. Er habe Englisch gesprochen, Amir das dann auch in die persische Sprache Farsi übersetzt. Die Flüchtlinge seien „sehr gesprächsbereit“ gewesen, hätten auch schon Vorkenntnisse über den christlichen Glauben gehabt. „Ich glaube nicht, das es einen Katalog gibt, den man abhaken muss, damit man ein Christ ist.“

          Wenn die drei Flüchtlinge gefragt werden, was sie sich in Deutschland wünschen, dann antworten sie „Frieden“ und „ein normales Leben.“ Die Trennung von der Familie und von der Existenz habe ihn viel gekostet, sagt Amir. „Es war schwer. Ich habe alles verloren.“ In Darmstadt gehe es ihm nach einigen Monaten viel besser. „Ich habe hier etwas gefunden, was für mich Heimat ist. Hier gibt es Menschen, auf die ich zählen kann“, meint der 30-Jährige. Und als ihn Pfarrer Engel fragt, ob er an einem regelmäßigen Kontakt interessiert ist, nickt Amir.

          Zahlen dazu, wie viele Flüchtlinge sich im vergangenen Jahr haben taufen lassen, gibt es nicht. Auch Schätzungen seien nicht möglich, heißt es bei der Deutschen Bischofskonferenz. In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ließen sich zuletzt jährlich etwa 183.000 Menschen taufen - darunter rund 18.000 Erwachsene.

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