Ramadan in der Corona-Krise : Einsames Fastenbrechen
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Klare Regeln: Im Fastenmonat Ramadan fallen Moscheen als Ort der Begegnung weg. Bild: Wolfgang Eilmes
An diesem Freitag beginnt für Muslime der Fastenmonat Ramadan. Er wird anders begangen als jemals zuvor. Denn in der Corona-Zeit gelten strenge Regeln.
Normalerweise ist der Terminkalender von Said Barkan während des Fastenmonats Ramadan prall gefüllt. Zumindest in den Abendstunden. Dann lädt er seine Familie, Nachbarn und Freunde zum gemeinsamen Fastenbrechen ein, oft ist er selbst bei anderen zu Gast. In diesem Jahr ist alles anders. Der am heutigen Freitag beginnende Fastenmonat Ramadan fällt mitten in die Corona-Krise. Gemeinschaftliches Fastenbrechen im großen Kreis, die Koranlesungen in der Moschee, das traditionelle Gebete in der Nacht sowie die Pflicht- und Freitagsgebete in der Moschee werden ausbleiben.
„Ich kann nicht verhehlen, dass viele Herausforderungen für diesen Ramadan gegeben sein werden. Aber die Vorfreude bleibt“, sagt Barkan. „Aber das, was den Ramadan abrundet, wird vermisst werden.“ Barkan ist Landesvorsitzender des Zentralrats der Muslime, einer Dachorganisation, die von sich sagt, sie bilde die Vielfalt der Muslime in Deutschland ab. So sind im Zentralrat außer Marokkanern und Türken auch Deutsche, Albaner, Iraner, Afrikaner und Bosnier vertreten.
Barkan sorgt sich besonders um jene Muslime, denen derzeit der familiäre Anschluss fehlt. Etwa um Studenten, die weit weg von ihren Heimatorten leben, oder um Flüchtlinge. Aber er erinnert auch an die Menschen, die nicht genug Geld haben, um sich abends ein ordentliches Mahl zuzubereiten. Der Ramadan gilt als eine Zeit der Barmherzigkeit. Bedürftigen wird in diesem Monat besonders geholfen. Beispielsweise durch das Ausrichten des gemeinsamen Fastenbrechens am Abend, auch Iftar genannt.
Fehlende Gemeinschaftserlebnisse
In vielen Gemeinden werde derzeit darüber beraten, wie nach Sonnenuntergang jenen, die „nicht die Möglichkeit eines Gemeinschaftserlebnisses haben“, das Fastenbrechen trotzdem ermöglicht werden kann – wenn auch nicht gemeinsam.
In der Tarik-Moschee in Frankfurt-Griesheim werde derzeit über ein „Iftar to go“ nachgedacht. Denkbar ist nach Angaben Barkans, dass die Tüten mit dem Essen noch vor Sonnenuntergang abgeholt und der Inhalt zu einem späteren Zeitpunkt zu Hause gegessen werden kann. So wäre zumindest die Versorgung sichergestellt. Das Gemeinschaftserlebnis in Tüten zu verpacken sei allerdings noch nicht möglich.
Dass die Moscheen voraussichtlich auch in den nächsten Wochen noch geschlossen bleiben, bedauert Barkan, kann diese Entscheidung aber verstehen. „Ich schätze es, dass sich die Muslime stark an das gehalten haben, was von medizinischer und behördlicher Seite vorgegeben wurde“, sagt er. Es gehe darum, gemeinsam die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dafür gelte es, Einschränkungen in Kauf zu nehmen.
Die besonderen Gebete, die im Fastenmonat Ramadan vorgeschrieben sind, können laut Barkan in der Ausnahmesituation auch zu Hause verrichtet werden. „Aber die kommunikativen Elemente der Gemeinschaft fallen damit leider weg“, sagt er. Ein Gebetseinheit dauere nur wenige Minuten. Aber normalerweise ständen in der Moschee im Anschluss daran der Austausch und das Miteinander im Vordergrund. „Die Moschee ist ein Zentrum der Begegnung. Dass das komplett wegbricht, macht etwas mit den Menschen. “
Gebet per Videokonferenz
Auch entfalle für viele in diesem Jahr das freiwillige Nachtgebet, auch Tarawih genannt, für das manch einer auch nach Sonnenuntergang noch einmal in die Moschee zurückgekehrt sei. Bei dem täglichen Nachtgebet wird der Koran rezitiert. Dies sei für viele ein besonderer, ein spiritueller Moment, der nicht einfach zu Hause erzeugt werden könne. „Nicht alle haben eine so schöne Stimme und kennen den Koran auswendig“, sagt Barkan.
Auch sei es keine Lösung, das wichtige Freitagsgebet per Videoschalte in die Wohnzimmer zu übertragen. Das habe theologische Gründe, wie Barkan sagt. „Sie können den Imam dann zwar anschauen, aber es zählt nicht als Gebet. Sie sind dann kein aktiver Part des Ganzen.“
Der Landesvorsitzende sorgt sich auch um die finanzielle Situation vieler Moscheen. Viele hätten fast ausschließlich durch Spendensammlungen zum Freitagsgebet existieren können. Und genau diese Spenden fallen schon seit Wochen komplett weg. Ein Großteil der Einnahmen sei zusätzlich im Fastenmonat zusammengekommen, sagt Barkan.
Erhoffte Spenden bleiben aus
Das bestätigt auch Khurrem Akhtar, Vorsitzender des Islamischen Informations- und Begegnungszentrums in Hanau. Dort habe man in der Vergangenheit bis zu 50 Prozent der jährlichen Spenden während der Ramadan-Zeit eingenommen. „Da erlebt man gemeinsam spirituelle Momente, da gibt es eine andere Bereitschaft zu geben.“ Der Verein hat sich entschieden, für eingehende Spenden während des Fastenmonats ein Extra-Paypal-Konto einzurichten. Auf große Summen wagt er nicht zu hoffen. „Aktuell ist eine große Unsicherheit da. Wir haben Fixkosten wie etwa die Miete, die wir zahlen müssen.“
Auch ihn treibt die Sorge um die Mitglieder des Vereins um, denen der Anschluss an die Gemeinschaft besonders fehle. Im Fastenmonat werde deshalb auf die digitale Vernetzung der Mitglieder gesetzt. Jeden Abend soll nach dem Iftar eine kleine Ansprache ins Netz gestellt werden. „Nicht jeder hat eine Familie. Das soll helfen, dass die Menschen nicht völlig allein sind.“
Akhtar hofft, dass viele Muslime versuchen werden, den besonderen Monat trotz der Umstände so positiv wie möglich zu erleben. „Die Menschen stellen sich ganz anders auf die Zeit ein und werden intensiver in sich kehren.“