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Familienschule : Das unbekannte Wesen

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Früher war alles leichter, auch das mit den Kindern. Das stimmt zwar nicht, aber alte Wahrheiten leben wieder auf.

Früher war alles leichter, auch das mit den Kindern. Das stimmt zwar nicht, aber alte Wahrheiten leben wieder auf. Bild: Spaarnestad Photo/laif

Ihr Kinderlein kommet, hieß es noch Samstagabend an Millionen Weihnachtsbäumen. Wenn sie aber da sind, ist bei Eltern der heutigen Generation oft guter Rat teuer. Die Familienschule kann helfen, sich auf „das neue Leben“ einzustimmen.

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          Emil lebt in Fulda. Er ist vierzehn Monate alt, hat blonde Haare und blaue Augen. Der Junge sitzt in einem Meer bunter Kunststoffkugeln, von denen er ab und zu eine in einen Teller legt und sie kreisen lässt. Emil kann sich gut allein beschäftigen. Nur hin und wieder zeigt er Mama und Papa, was er kann, und er triumphiert krähend, dass die Kugel sogar dann noch im Teller kreist, wenn er das Behältnis in eine arge Schräglage bringt. Fremden gegenüber ist er offen, und von Menschen, die er kennt, lässt er sich auf den Arm nehmen.

          Emil ist, wie man so sagt, ziemlich brav. Die Fachleute würden eher davon sprechen, er sei „sicher gebunden“. Das ist augenscheinlich damit zu erklären, dass Vater Dirk und Mutter Corinna Sippel sich intensiv um den Kleinen kümmern. Die Mutter ging bald nach der Geburt wieder zur Arbeit, während der Vater ein Jahr Elternzeit nahm. Beide sind Lehrer, das macht vieles einfacher. Wenn Emil Sippel an die Schule zurückkehrt, wird er 16 statt 27 Stunden unterrichten, die Frau hat auf 20 Stunden reduziert. Emil kommt vormittags in eine Krippe. Beide treten beruflich kürzer, damit das Kind und die Beziehung nicht zu kurz kommen. Denn wie die Eltern miteinander umgehenund wie intensiv ihre Bindung zum ersten und den vielleicht noch folgenden Kindern ist, bildet die Grundlage ihres Glücks. Diesen Zusammenhang hat sich das Paar bewusstgemacht, es hat ihn gewissermaßen gelernt.

          Vielleicht ein lebenslanger Unterschied

          Noch vor zwei Jahren unterschieden sich die Sippels wenig von einigen ihrer Bekannten: Anfang bis Mitte dreißig, kinderlos. Im Freundeskreis gab es noch keine Babys, und die eigene Kindheit lag schon lange zurück. Entsprechend unsicher sahen sie dem eigenen Nachwuchs entgegen. Corinna Sippel ahnte, wie sie sich erinnert, damals schon, was auf sie zukommen würde. Dirk Sippel packte gar die Furcht, er könnte als Vater „ungeeignet“ sein.

          Die werdenden Eltern suchten ganz zeitgemäß im Internet Rat und stießen auf die Website der Familienschule Fulda. Die hat in der ehemaligen Kaserne der Domstadt ihr Domizil und bietet neben den üblichen Geburtsvorbereitungskursen auch eine längere Seminarreihe an. Die Gebühren dafür, je vier Doppelstunden vor und nach der Geburt, übernimmt die Krankenkasse nicht. Aber diese acht Stunden können einen - vielleicht lebenslangen - Unterschied machen.

          Vertrauen sei die Wiege einer gesunden Beziehung unter Eltern und zu den Kindern

          Der „Unterrichtsstoff“ soll ausgleichen, was die Menschen im eigenen Familienleben und Freundeskreis nicht mehr lernen: sich auf das Kind und den Partner einzulassen, den anderen Menschen wichtiger zu nehmen, statt ständig über die Perfektionierung des Tagesablaufs nachzudenken und sich dem stetig steigenden Leistungsdruck auszuliefern; der damit einhergehenden Verunsicherung die eigene Stärke entgegenzusetzen, die aus der Beziehung wachse. Denn es fehle an Vertrauen, an Grund- und Selbstvertrauen, ja, auch an Gottvertrauen, sagt Julia Spätling, die Leiterin der Familienschule. Vertrauen aber sei die Wiege einer gesunden Beziehung unter Eltern und zu den Kindern.

          Julia Spätling ist von Beruf Kinderkrankenschwester, zudem Diplomheilpädagogin und Kunsttherapeutin. Die Mutter zweier Kinder lebt, wie sie sagt, im Hier und Heute. Sie ist mit ihrem Partner nicht verheiratet und hat ihre Arbeit nach der Geburt der Kinder nicht für eine lange Familienphase unterbrochen.

          Ludwig Spätling sucht Nachahmer in anderen Regionen Deutschlands

          Ihr Vater, Ludwig Spätling, ist Direktor der Frauenklinik am Klinikum Fulda. Er hat ein Berufsleben lang Frauen und Kinder begleitet und vor etwa einer Dekade in Fulda die Deutsche Familienstiftung ins Leben gerufen. Für das Kuratorium der Stiftung gewann er die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) und den Jazzmusiker Klaus Doldinger, den Kopf der legendären Formation Passport. Die Stiftung finanziert gemeinsam mit Stadt und Kreis Fulda die Geburts- und Familienvorbereitung.

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