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F.A.Z.-Leser helfen : Ein Haus für Aufsteiger

  • -Aktualisiert am

Bild: Frank Röth

Der Frankfurter Verein Cargo Human Care legt den Grundstein für sein Jugendzentrum in Kenia. Im November dieses Jahres soll es fertig sein und eröffnet werden.

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          Die Sache mit der Kassette erklären die Gäste aus Deutschland lieber zweimal. Was es mit der Box auf sich hat, in der unter anderem Zeitungen, Münzen und Baupläne verstaut sind, erschließt sich den Kenianern nicht sofort. Doch spätestens als das Kästchen in dem Loch verschwunden und mit frisch angerührtem Zement bedeckt ist, ist die Botschaft angekommen: Die Kassette soll die Nachwelt daran erinnern, dass dieser Tag im Juni 2015 ein besonderer war. Wer das dereinst finde, solle wissen, was dort, am Rand von Nairobi, entstanden sei, sagt Gerhard Meyke. Der Banker im Ruhestand gehört zum Vorstand des Frankfurter Vereins Cargo Human Care und steuert den Bau des Jugendzentrums in Kiambu, einem County nördlich von Kenias Hauptstadt.

          Die gut 100 Gäste der Grundsteinlegung wissen mittlerweile genau, was Cargo Human Care plant. Spätestens Ende November soll das Jugendzentrum stehen, bis zu 24 junge Frauen und Männer können dann dort leben, um den Übergang von der Schule zur Ausbildung zu schaffen. Denn das ist die kritische Phase, wie Meyke und seine Mitstreiter in den vergangenen Jahren erfahren mussten.

          Cargo Human Care betreibt mit der anglikanischen Kirche ein Waisenhaus, nicht weit entfernt vom neuen Bauplatz. Wenn die Kinder die High School verlassen, müssen sie dort ausziehen, brauchen aber immer noch viel Unterstützung. Eine eigene Wohnung können sie sich nicht leisten; zu ihren Familien zurückzukehren ist für die wenigsten eine Option, schließlich konnten sie sie schon nicht versorgen, als die Eltern gestorben waren. Und wer glaubt, das deutsche Bildungssystem sei besonders selektiv, sollte sich bei Gelegenheit von Mary Wanjiku erklären lassen, wie die Sache in Kenia aussieht. Mary arbeitet bisher im Waisenhaus als Berufsberaterin; wenn das Jugendzentrum fertig ist, soll sie es leiten. Sie weiß, dass vor allem Geld und sehr gute Noten nötig sind, um es zu etwas zu bringen.

          Ihre wichtigste Aufgabe sieht sie darin, den Jugendlichen Selbstbewusstsein beizubringen. Nur wer seine Stärken kenne, könne herausfinden, welcher Beruf der richtige ist. Manche der Waisenkinder - viele von ihnen haben ihre Eltern wegen Aids verloren - tun sich schwer damit, ihre Wünsche zu formulieren. Doch zum Glück gibt es Mary.

          Gut 30 junge Leute haben das Mothers’ Mercy Home in den vergangenen zwei Jahren verlassen. Allen hat Sozialarbeiterin Mary dabei geholfen, Praktikumsplätze oder Jobtrainings zu finden. Für den ersten Jahrgang entscheidet sich bald, wer es an die Universität schafft. Genauso sehr freut sich Mary aber über jene, die lieber Handwerker werden möchten. Zuversichtlich stimmt sie, dass der zweite Jahrgang vor dem Auszug aus dem Waisenhaus schon viel optimistischer gewesen sei als der erste. „Sie haben gesehen, dass es danach gut weitergehen kann.“ Für die nächsten Jahrgänge soll es noch besser laufen.

          Im Jugendzentrum werden sie einerseits eine einfache, aber sichere Bleibe für den Übergang erhalten. Dort sollen sie die Selbständigkeit lernen, etwa für sich kochen. Zugleich soll es dort Kurse geben, in denen sie viele praktische Dinge lernen, die hinter den Mauern des Waisenhauses noch zu kurz gekommen sind. Diese Kurse sollen auch anderen Jugendlichen aus der Gegend offenstehen.

          Der Architekt hat viel Wert auf Flexibilität gelegt. Die Schulungsräume lassen sich variabel nutzen. Auf dem kleinen Gelände, das die Kirche dem Frankfurter Verein überlassen hat, werden das Schlafhaus mit den Schulungsräumen, ein Küchen- und ein Waschhaus Platz finden. Energie sollen Solarzellen auf dem Dach erzeugen.

          Erinnern soll das kleine Zentrum an einen Jungen, ohne den es Cargo Human Care nicht geben würde. Durch Zufall begegnete der Pilot Fokko Doyen dem Waisenjungen John Kaheni. Um ihm eine lebensrettende Herzoperation zu finanzieren, bat Doyen seine Bekannten um Spenden. Dabei beließ er es nicht: Er gründete den Verein mit. Das erste große Projekt war die Erweiterung des Mothers’ Mercy Home um ein stabiles Bettenhaus und eine Medizinstation. Damals wie heute haben die Leser dieser Zeitung mit ihren Spenden maßgeblich dazu beigetragen, die Investition möglich zu machen. Doch John wird die Eröffnung des neuen Hauses nicht mehr erleben. Kurz vor Weihnachten starb er, weil sein Herz nicht mehr schlagen wollte. In Erinnerung an den Jungen wird das Jugendzentrum „John Kaheni Residence“ heißen. Schon zur Grundsteinlegung steht ein großes Foto von John auf der Baustelle. Im November wird es einen prominenten Platz in dem Haus finden.

          Berufsberaterin Mary hat schon jetzt alle Hände voll zu tun. Ein Praktikum für ihre Schützlinge zu ergattern kann zum Kraftakt werden. Ohne die richtigen Kontakte läuft nichts. Zum Glück haben die Waisenkinder in Nairobi versierte Netzwerker an ihrer Seite. Deshalb wird einer von Marys Jungen bald sein Praktikum in einer Baufirma beginnen. Auf der Baustelle des Jugendzentrums in Kiambu wird er dann nicht nur an seiner eigenen Zukunft arbeiten.

          christian palm

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