Titanic-Lesung für Kinder : „Bang – ein Loch ist in der Schiffswand“
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Sitzt nur selten: Maja Nielsen hat am Sonntag ihre Sachbuchreihe „Maja Nielsen erzählt“ vorgestellt. Bild: Marcus Kaufhold
Das Schicksal der Titanic kennt jeder. Doch das, was Sachbuchautorin Maja Nielsen über die Nacht im Jahr 1912 zu erzählen weiß, ist für viele Zuhörer einer Lesung zugunsten des F.A.Z.-Spendenprojekts neu.
Den bunten Einhorn-Pullover hat sie dann doch zu Hause gelassen. In dem, sagt Sachbuchautorin Maja Nielsen, lasse es sich zwar ganz wunderbar schreiben. Schließlich sei er so schön kuschelig. Aber er sei auch zu warm, um ihn bei einer Lesung zu tragen. Denn anders als viele ihrer Kollegen sitzt Nielsen nicht eine Sekunde, wenn sie aus einem ihrer mehr als 20 Sachbücher vorliest. Wobei „vorlesen“ auch nicht ganz das beschreibt, was Nielsen da auf der Bühne tut. Sie erzählt gestenreich, kommt ohne Zettel und Notizen aus. „Ich bin nicht hierhergekommen, um das langweilig zu gestalten“, sagt Nielsen, bevor sie am Sonntag im Funkhaus von Hit Radio FFH auf die Bühne tritt und die Gäste begrüßt.
Nielsen verzichtet auf ein Honorar. Alle Einnahmen der Sonntagsgeschichten kommen dem Spendenprojekt „F.A.Z.-Leser helfen“ zugute, das in diesem Jahr ein Projekt der German Doctors in Nairobi und den Kinderhospizdienst Löwenzahn in Frankfurt unterstützt. Es ist die vorerst letzte Lesung in dieser Reihe. Erst von November an wird die F.A.Z. wieder monatlich Autoren, Kinder und ihre Eltern zusammenbringen. Nielsen erzählt an diesem Sonntagnachmittag die Geschichte der Titanic. Oder, wie sie es formuliert: „Ich halte euch einen Vortrag über menschliche Dummheit.“
Gruselfrei auf den Meeresgrund
Weil viele Todesopfer hätten vermieden werden können, wären kleine und große Fehler nicht begangen worden. Die Zahl der Rettungsboote zu reduzieren, um die Schönheit des Sonnendecks zur Geltung zu bringen, sei einer der besonders dummen Fehler gewesen. Ebenso folgenschwer war es, die Ferngläser zu verlegen, mit deren Hilfe der Eisberg womöglich früher in das Blickfeld der Wache haltenden Matrosen hätte rücken können. So aber wurde zu spät Alarm geschlagen, der Zusammenprall war unvermeidlich.
„Bang – ein Loch in der Schiffswand“, ruft Nielsen ins Mikrofon. Die Kinder hängen an ihren Lippen. Auch sie wissen, dass die Titanic, das angeblich unsinkbare Schiff, am Ende des neunzigminütigen Vortrags auf dem Meeresgrund liegen wird. Nielsen, die im hessischen Rosbach wohnt, ist nicht bekannt dafür, Dinge zu beschönigen. Aber dass sich ihre Zuhörer fürchten, will sie auch nicht. Darum fragt sie immer wieder vorsichtig nach. „Zu gruselig?“ Die Kinder verneinen vehement.
In ihren Sachbüchern erzählt sie Geschichte durch Geschichten. Und so begleiten die Zuhörer Charles Lightoller, den Zweiten Offizier des Luxusdampfers, durch diese sternklare Schicksalsnacht. Sie schlucken schwer, als sie erfahren, dass der junge Mann einen Platz in einem der Rettungsboote abgelehnt hat, aus Angst, als Feigling zu gelten. Sie fiebern mit, als Nielsen von seinem Überlebenskampf im Wasser erzählt – und den vielen Zufällen, die zu seiner Rettung geführt haben. Im Publikum, das merkt auch die Autorin schnell, sitzen wahre Titanic-Kenner.
Interview mit Titanic-Forscher
Sie haben die technischen Daten des Schiffes parat, wissen viel über den angeblich unsinkbaren Luxusdampfer. „Ich habe mal ein Referat darüber gehalten“, sagt einer der Jungen auf Nachfrage, wieso er so gut informiert sei. Die Autorin reibt sich die Hände. Experten unter sich. Nielsen nennt Zahlen, Daten, Fakten, die selbst die Titanic-Fans im Publikum noch nicht kannten, und garniert sie mit Anekdoten, die sie so bildreich erzählt, dass sich die Zuhörer im Publikum manchmal vergewissern müssen, nicht an Bord des Schiffes, sondern im Besucherzentrum des Radiosenders zu sitzen.
Recherchiert sie für ein Buch, gräbt sich Nielsen über Wochen und Monate in ein Thema ein, versucht, wenn möglich, mit Zeitzeugen zu sprechen. Dass es ihr gelungen ist, sich mit dem Meeresforscher Jean Louis Michel zu treffen, der im Jahr 1985 gemeinsam mit seinem Team und weiteren Forschern die Titanic auf dem Meeresboden vor Neufundland entdeckte, überrascht keinen im Saal. Der Forscher, der eigentlich das Rampenlicht scheut, hat der Sachbuchautorin ein Interview gegeben. „Ich habe ihm einfach einen siebzehnseitigen Brief geschrieben“, scherzt die Autorin, die schon wieder an einem neuen Sachbuch schreibt. Worum es darin geht? Darf sie noch nicht verraten.
Am Sonntag, nachdem alle Autogramme geschrieben sind und sie mit ihren jungen Fans noch ein bisschen gefachsimpelt hat, kann sie es kaum erwarten, wieder nach Hause zu fahren. Zurück an den Schreibtisch, zurück zum kuscheligen Einhorn-Pullover, in dem es sich so gut schreiben lässt.
Spenden für das Projekt „F.A.Z.-Leser helfen“
Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und die Frankfurter Allgemeine/Rhein-Main-Zeitung bitten um Spenden für den ambulanten Kinderhospizdienst Löwenzahn in Frankfurt, der Familien mit lebensverkürzend erkrankten Kindern berät und betreut, sowie für die German Doctors, die ehrenamtliche Ärzte in Länder entsenden, in denen es an grundlegender Gesundheitsversorgung mangelt. In Nairobi wollen sie in dem Slum Korogocho eine medizinische Ambulanz aufbauen.
Spenden für das Projekt „F.A.Z.-Leser helfen“ bitte auf die Konten:
Bei der Frankfurter Volksbank IBAN: DE94 5019 0000 0000 1157 11
Bei der Frankfurter Sparkasse IBAN: DE43 5005 0201 0000 9780 00
Per Paypal
Spenden können steuerlich abgesetzt werden. Weitere Informationen zur Spendenaktion im Internet unter der Adresse www.faz-leser-helfen.de.