
F.A.Z.-Leser helfen : Der Kampf der Frauen in Nairobis Slums
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Hausbesuch: Gaudenica Salano und Beth Mueni (links hinten) sprechen mit ihren Patientinnen im Slum Njoguini. Bild: Frank Röth
Frauen leben in den Slums von Nairobi gefährlich: Sie werden vergewaltigt und geschlagen, oft müssen sie ihre Kinder allein durchbringen. Die Familienplanung der German Doctors kann das Leid mindern – zumindest ein bisschen.
Faith weiß nicht, wie sie die Aufgabe erfüllen soll, die ihr Mann ihr an diesem Morgen gestellt hat. 400 Kenia-Schilling hat er ihr ausgehändigt, umgerechnet etwa 3,40 Euro. Damit soll sie für das Mittag- und das Abendessen sorgen. Faith hat vier Kinder. Und einen Mann, der nur bestimmtes Gemüse mag. Leider ist es das teure. Mit den 400 Schilling wird sie also nicht das kochen können, was er will. Allein die Holzkohle, die sie dafür braucht, kostet etwa 100 Schilling. Und das heißt: Wenn ihr Mann abends von der Arbeit aus der Metzgerei nach Hause kommt, gibt es Schläge.
Auf dem Bett sitzt Faiths Sohn Brian und lächelt. Er ist 20 Jahre alt, leidet an Autismus und Epilepsie. „Er ist schwer geistig behindert“, konstatiert Norbert Kohl, nachdem er den jungen Mann ein paar Minuten erlebt hat. Kohl, ein Kinderarzt aus Bad Vilbel, ist für die German Doctors in Nairobi. Eigentlich arbeitet er dort im Gesundheitszentrum „Baraka“, im Slum Mathare. An diesem Tag schaut er sich jedoch die Arbeit einer anderen Ambulanz an. Fanaka heißt sie, wegen des großen Bedarfs hochgezogen in der Pandemie von Lokalkräften und erst seit Kurzem mit deutschen Ärzten bemannt, die dort unentgeltlich für einige Wochen arbeiten.
Patienten in abgelegenen Slums
Fanaka, „Glück“ auf Suaheli, liegt in Athi River, einem industriell geprägten Vorort der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Ähnlich wie dort soll mit Hilfe der F.A.Z.-Leser noch eine weitere Ambulanz in Nairobi entstehen: im Slum Korogocho. Dafür werden in diesem Jahr mit der Aktion „F.A.Z.-Leser helfen“ Spenden gesammelt.
In Fanaka versorgen die German Doctors etwa 20.000 Menschen aus acht kleinen, sehr abgelegenen Slums. Und sie fahren auf Hausbesuche, wie zu Faith, die in diesem Text wie alle Patienten nur mit ihrem Vornamen genannt wird. Sie lebt in Slota. Auf einer staubigen Brachfläche steht da ein mehrstöckiges Haus. Drum herum liegt ein bisschen Müll, auf der Straße ist es ziemlich aufgeräumt, es gibt Verkaufsstände mit Plastikkörben, Gürteln und anderem Schnickschnack, und ein paar Meter weiter stecken ein paar Kühe ihre Nasen in einen Container voller Abfälle.
Brians Lage hat sich in den zwei Jahren, die er in Fanaka betreut wird, stark verbessert. Er hat Medikamente und Physiotherapie bekommen. Seitdem läuft er sicherer, steigt sogar die Treppen in den obersten Stock des Hauses allein hoch, in dem er mit seinen Eltern und Geschwistern in zwei Zimmern lebt.
Einen Tag Ruhe
Gaudenica Salano ist als „Clinical Officer“ eine Art Hybrid aus Krankenschwester und Ärztin und die Chefin von Fanaka. Mit Brians Fortschritten ist sie zufrieden. Er könnte sogar eine Lehre anfangen, haben sie in seiner Sonderschule gesagt. Aber der Ausbildungsort wäre 100 Kilometer entfernt. Die Mutter Faith traut sich nicht, ihn dort allein hinzuschicken. Er kann seine Tabletten nicht selbständig schlucken, sie zerbröselt sie ihm jeden Morgen und mischt sie in ein Getränk.
Viele Frauen sind auf sich gestellt
Salano hört sich die Nöte an. Die Ambulanz-Leiterin ist eine durch und durch positive Frau. Sie redet ihren Patienten gut zu, hat immer ein Lächeln auf den Lippen, auch, wenn es eigentlich wenig Grund dazu gibt. Zum Abschied gibt sie Faith noch einen Tipp für das Kochproblem: „Kauf heute das teure Gemüse und bewahre es für morgen auf, wenn du neues Geld bekommst.“ Was für eine Logik – denn dann gibt es zwar heute Schläge. Aber morgen kommt Faith dann mit dem spärlichen Budget aus und hat dadurch vielleicht einen Tag Ruhe. Es ist ein pragmatischer Tipp. Er zerreißt einem trotzdem das Herz. Wie viele Patientinnen in Fanaka hat Faith noch eine andere Beratung bekommen, als sie wegen Brians Krampfanfällen in die Klinik kam. Die Mutter von insgesamt vier Kindern hat seitdem eine Spirale und bekommt keine weiteren Kinder.
Beraten werden die Frauen dafür im „Familiengesundheitszentrum“ von Fanaka. Eigentlich sind die Patienten dort irgendwie das Gegenteil von Familie: In den kargen Raum kommen Frauen, die nicht schwanger werden wollen. Oder nicht mehr. Aber weil das Gelände, auf dem die German Doctors ihre Klinik in Athi River eingerichtet haben, von einem katholischen Priester vermietet wird, steht über der Tür eben „Family Health Centre“. Für die Frauen kann es eine große Erleichterung sein, wenn sie nicht mehr schwanger werden. Die meisten haben schon einige Kinder. Und die müssen sie durchbringen. Catherine hat acht. Sie passen kaum in den Verschlag im Slum Njoguini, in dem sie alle zusammen leben. Durch die Tür kann man sich nur einzeln quetschen, indem man sie immer wieder öffnet und schließt, so voll ist es in dem Raum.