
Es ist falsch, über „Reichsbürger“ zu lachen
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Wütender Protest: „Reichsbürger“ vor dem Reichstag Bild: fritz engel / archiv agentur zenit
Die Ansichten der „Reichsbürger“ sind krude, gestrig und erscheinen lächerlich. Darüber zu spotten, hilft trotzdem nicht. Die Szene wurde allzu lang verharmlost.
Der Mann ist, keine Frage, eine groteske Figur. Das grau-weiße Haar zurückgekämmt, Tweed-Sakko mit Karomuster, um den Hals ein knallbuntes Tuch gewickelt, Corona-Maske: So wird er aus seiner Wohnung im Frankfurter Westend abgeführt. Und dann dieser Name: Heinrich XIII. Prinz Reuß. Auf seine adlige Herkunft ist der Immobilienunternehmer stolz. Er soll ein Faible für den Motorsport haben, er war einmal mit einem Model verheiratet, im ostthüringischen Bad Lobenstein leistet er sich ein Jagdschloss.
Beim Worldwebforum, einem der wichtigsten Treffen der Digitalbranche, hat er 2019 eine aus der „Reichsbürger“-Ideologie zusammengestückelte Rede gehalten, in brüchigem Englisch: Deutschland sei kein souveräner Staat, sondern eine Geschäftsstruktur, die Justiz werde von der Regierung kontrolliert, die Rothschild-Familie und Freimaurer steckten hinter Kriegen und Revolutionen, die Abschaffung der Monarchie habe nichts als Leid über das Land gebracht, erklärte Reuß dem Züricher Publikum. Und dieser Mann, Spitzname „Enrico“, soll nun ein Komplott mit dem Ziel, den Bundestag zu stürmen und den Staat zu stürzen, angeführt haben. Soll, so vermuten es die Ermittler des Generalbundesanwalts, sogar geplant haben, selbst Staatsoberhaupt dieses, aus seiner Sicht dann souveränen Deutschlands zu werden. Willkommen in Absurdistan.
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