Abwärme aus Rechenzentren : Eine riesige Energieverschwendung
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Heizung: Je stärker es blinkt, desto mehr Betrieb ist und desto wärmer wird der Server Bild: Claus Setzer
Die Abwärme der großen Rechenzentren etwa in Frankfurt wird bisher herunter gekühlt. Das heißt: Sie verpufft ungenutzt. Allerdings plant die Stadt nun ein Kataster. Und andernorts ist man schon weiter.
Jede Minute entsteht im Ostend und im Gallus, in Rödelheim und in Sossenheim in Frankfurt ungenutzte Energie, denn in diesen Stadtteilen befinden sich große Rechenzentren. Die in den meist schmucklosen Gebäuden untergebrachten Hochleistungsrechner anderer Firmen müssen ständig gekühlt werden. Auch deshalb verbraucht ein einzelnes Rechenzentrum soviel Strom wie eine Kleinstadt – und es gibt Dutzende Datacenter in der Stadt. Die von ihnen verströmte Abwärme wird bisher nicht genutzt. Dabei wird das Thema drängender, schließlich steigt die Zahl der Rechenzentren am Main schier unaufhaltsam.
Beispiel Sossenheim: Derzeit baut dort Zenium sein zweites Rechenzentrum am Standort. Die britische Firma hatte an der Eschborner Landstraße vor zwei Jahren 5000 Quadratmeter für Hochleistungsrechner zur Verfügung gestellt. Wenn sein Datacenter Frankfurt Two fertig sein wird, kommen 7500 Quadratmeter hinzu. Mit dem Neubau reagiert Zenium auf die Nachfrage von Kunden, die Stellflächen für ihre Computer brauchen, die Daten speichern und verarbeiten. Der Neubau reiht sich in die Kette ähnlicher Projekte von Konkurrenten wie Equinix, Interxion und Telehouse ein. Sie sichern mit den Ruf der Datacenter als wichtigste Stromkunden am Main. Denn die über die Stadt verteilten Rechenzentren verbrauchen zusammen mehr Strom als der Frankfurter Flughafen, wie Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir von den Grünen und der Energielieferant Mainova unisono sagen.
Ein Fünftel des Stromverbrauchs
Nun ziehen die Rechenzentren aus zwei Gründen so viel Strom ab. Die über Zehntausende Quadratmeter verteilten Hochleistungscomputer laufen rund um die Uhr mit elektrischer Energie und dabei warm. Computer vertragen allerdings hohe Temperaturen nicht. Zur Kühlung ist Strom notwendig. Wie Donald Badoux als Chef von Equinix Deutschland sagt, macht dies knapp ein Fünftel des Stromverbrauchs aus. Bei älteren Datacentern sei es sogar mehr, sagt Telehouse-Chef Béla Waldhauser. Bei Interxion ist von 25 bis 30 Prozent die Rede. Das heißt: Der nur für Kühlung verwendete Strom reichte für mehrere Kleinstädte.
Wer einmal ein neues Rechenzentrum im laufenden Betrieb betreten durfte und auch ein altes kennt, der weiß: Die Betreiber tun schon eine Menge, um Rechner immer effizienter zu kühlen – denn ihre internationalen Kunden achten sehr auf die Kosten. Gleichwohl drängt sich die Frage auf, ob die Abwärme nicht genutzt werden kann.
Viel wäre gewonnen, wenn die Rechenzentren ihre Abwärme ins Fernwärmenetz einspeisten. In Skandinavien klappt das an mehreren Orten schon. In Frankfurt, Deutschlands Hauptstadt der Internet- und der Datacenter-Branche, ist das noch Zukunftsmusik. Allerdings arbeitet die Stadtverwaltung an einem Abwärme-Kataster: Das kommunale Energiereferat hat ein Büro in Berlin beauftragt, die Datacenter-Betreiber dazu zu befragen. Im Energiereferat ist von großem Potential die Rede, das die Rechenzentren böten.
Ein Schwimmbad als Nachbar
Nun ist es nicht so, dass der lokale Energieversorger Mainova sich keine Gedanken über die Abwärme-Nutzung gemacht hätte. Schließlich versorgt er viele Datacenter in der Stadt mit Strom und kennt die Unternehmen. Allerdings verweist der Stromlieferant auf die „Rahmenbedingungen“, die konkrete Pläne bisher vereitelt hätten. Mit Rahmenbedingungen meint die Mainova mögliche Abnehmer der Abwärme: Kunden, die in unmittelbarer Nähe eines Rechenzentrums angesiedelt seien und das ganze Jahr über und am besten rund um die Uhr versorgt werden möchten. „Dies könnte zum Beispiel ein Schwimmbad sein“, sagt ein Sprecher. Doch leider sei das bei den bisherigen Projekten nie der Fall gewesen.
Die überschüssige Datacenter-Wärme in das Fernwärmenetz einzuspeisen sieht der Versorger als technisch nicht möglich an. Begründung: Das Fernwärmenetz verlange höhere Temperaturen und Drücke als bei der Abwärme in Rechenzentren anfielen. Wie Jens Prautzsch, der Geschäftsführer der Interxion Deutschland GmbH sagt, die derzeit gleich zwei Datacenter in Frankfurt baut, braucht Mainova rund 60 Grad heißen Dampf, Rechenzentren lieferten aber nur 40 Grad. Vor diesem Hintergrund kühlt auch Interxion weiter die Computer seiner Kunden. Ebenso verfährt der Mitbewerber Telehouse im Frankfurter Gallus. Aus den dortigen Rechenzentren kommt 30 bis 35 Grad warme Luft, wie Geschäftsführer Béla Waldhauser sagt.
Ihm geht es wie Prautzsch: Ein Abnehmer, der das gesamte Jahr über mit Abwärme von Telehouse heizen will, ist nicht in Sicht. Die warme Luft anders zu verwerten, sei technisch nicht effizient, sagt Waldhauser und bestätigt Aussagen der Mainova. Das Energiereferat gesteht zu, diese sogenannte Niedrigtemperatur-Abwärme müsste über Wärmepumpen auf ein höheres Niveau gebracht werden.
Dass das geht, zeigt folgendes Beispiel aus Stockholm: Der skandinavische Stromversorger Fortum kauft dort die in einem Datacenter entstehende Abwärme auf. Nach seinen Angaben fließt die Abwärme dann durch Rohre in ein Biomasse-Heizkraftwerk, in dem sie zu Fernwärme „veredelt“ werde. Dafür habe das an der Börse gelistete Unternehmen eigens Leitungen zu einem neuen Datacenter verlegt. Das beweist laut Fortum, dass Wärmerückgewinnung von großen Rechenzentren in großem Maßstab zu verwirklichen sei – und nicht nur eine Zukunftsvision.