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Eintracht-Sportdirektor Hübner : „Aus dem Hamsterrad kommt nur raus, wer etwas riskiert“

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Seit 2011 bei der Eintracht: Sportdirektor Bruno Hübner Bild: Wonge Bergmann

Eintracht-Sportdirektor Bruno Hübner über Qualität und Entwicklung der Mannschaft, die vielen Gegentore, den Einfluss des Aufsichtsrats und den nächsten Schritt in Richtung Europa.

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          29 Spieltage dieser Saison sind vorbei. Für die Eintracht ging es ständig auf und ab. Haben Sie mittlerweile ein Gefühl dafür bekommen, welches Leistungsniveau für diese Mannschaft realistisch ist?

          Was die Mannschaft auf jeden Fall auszeichnet: Sie ist charakterstark. Sie hat gelernt, mit den Höhen und Tiefen umzugehen, hat nach schlechteren Spielen fast immer eine passende Reaktion gezeigt. Außerdem besitzt sie Leidenschaft, sie ist bereit, alle Partien bis zur letzten Minute zu gewinnen. Sie gibt nicht auf. Aber es stimmt, es gibt auch Entwicklungen, an denen wir arbeiten müssen: Auswärts gerät sie zu schnell aus dem Rhythmus und verliert nach einigen Fehlpässen schnell den Faden. Wir sind insgesamt aber in einer guten Ausgangslage und können auf diesem Team, bei dem im Durchschnitt neun Spieler auf dem Feld stehen, die einen langfristigen Vertrag haben, im nächsten Schritt aufbauen. Wir wissen um die Problematik der Mannschaft und können am Markt aus einer gewissen Stärke heraus agieren.

          Was sind die Schwachstellen, an denen Sie den Hebel ansetzen wollen?

          Woran wir immer wieder erinnern müssen: Wir hatten einen riesigen personellen Umbruch inklusive neuem Trainer. Unser Ziel zum Saisonstart war, nichts mit dem Abstiegskampf zu tun zu bekommen. Das ist uns gelungen. Bei anderen Vereinen, die sich mit uns auf Augenhöhe befinden und andere Saisonziele hatten, sind die Zeiten ungemütlicher, da wurden schon Trainer gewechselt. Für die kommende Runde erhoffen wir uns zunächst, dass wir nicht mehr so vom Verletzungspech betroffen sind. Das wäre schon ein wichtiger Fortschritt. Außerdem wird ein Ansatz sein, die vorhandene Qualität in der Breite des Kaders besser aufzustellen.

          Was bedeutet das bei der Teamplanung?

          Ein Innenverteidiger soll auf jeden Fall noch hinzukommen, ein Backup für Timothy Chandler als rechter Abwehrspieler in der Viererkette, links in der Offensive wollen wir was tun, weil wir Piazon aus mehreren Gründen nicht mehr weiter ausleihen können, und im Sturm. Das sind die Positionen, auf die wir uns bei der Suche konzentrieren. Wir müssen in der Lage sein, auf Formschwankungen einzelner Spieler besser reagieren zu können. Oder wenn Verletzungen passieren. Wir wollen mehr Positionen mit unterschiedlicher Qualität doppelt gut besetzt haben. Im Mittelfeld brauchen wir in Zukunft einen anderen Zugriff auf das Spiel, wir sind grundsätzlich sehr offensiv ausgerichtet. Wir müssen eine passende Mischung finden, dass wir Spieler für die zentralen Positionen bekommen, die es natürlich mutig nach vorne zieht, die aber im Abwehrverhalten konsequenter sind. Im Umschaltspiel lassen wir zu große Räume. Wir wollen flexibler und schwerer für den Gegner ausrechenbar werden. Dafür brauchen auch wir unterschiedliche Typen.

          Dafür stehen sechs Millionen Euro zur Verfügung. Reicht das?

          Woher haben Sie die Zahl?

          Sie wurde bei Zusammenkünften von Vorstand und Aufsichtsrat kommuniziert.

          Unsere Investitionssumme hängt auch davon ab, wie wir diese Saison abschließen, und dann wissen wir es genau. Jeder Tabellenplatz, den wir weiter oben landen, ist im Fernsehranking bares Geld für uns, das ins Budget fließt. Und ich bin optimistisch, dass sich da noch was tut.

          Unbestritten ist, dass der Mannschaft Führungsstärke fehlt, oder?

          Sagen wir es mal so: Wir haben Spieler, die im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit die Leader-Rolle ausüben könnten. Es liegt ihnen aber aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht unbedingt. Wir überlegen, jemanden zu verpflichten, der von seinem Naturell her alles mitbringt, um das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und auch dann vornewegmarschiert und Zeichen setzt, wenn es schwierig wird auf dem Platz.

          Ist die Qualifikation für die Europa League in dieser Saison tatsächlich noch immer ein realistisches Ziel?

          Die Chance ist noch da. Wir bekommen es jetzt mit drei Klubs zu tun, die als unmittelbare Tabellennachbarn ebenfalls ins internationale Geschäft wollen: Dortmund, Bremen und Hoffenheim. Wenn wir da erfolgreich sind, haben wir alles in der Hand.

          Es gab aber schon genügend Gelegenheiten zuvor, bei denen sich der Eintracht die Möglichkeit bot, sich weiter oben anzusiedeln. Jedes Mal verpatzte sie die Aufgabe. Warum soll es also gerade jetzt klappen?

          Stimmt, das ist ja auch mit der Hauptgrund, über den wir uns in der Rückschau ärgern: So leicht wie in dieser Saison war es schon lange nicht mehr. Vom Grundsatz her haben wir alles erreicht, was wir wollten: Wir haben den Klassenverbleib so gut wie realisiert. Aber die spürbare Unzufriedenheit im gesamten Umfeld rührt natürlich daher, dass wir alle genau wissen, was möglich gewesen wäre, wenn wir zuletzt nicht so viele Punkte leichtfertig abgegeben hätten. Auch die Mannschaft ist deswegen verärgert. Viele von den Spielern waren dabei, als wir in der Europa League unterwegs waren. Das hat allen Spaß gemacht, das wollen wir wieder erleben. Deswegen geben wir in den letzten Spielen nochmal alles.

          Inui, Zambrano, Kadlec – es gibt einige Vertragsverhältnisse, die im Sommer auslaufen. Wie geht es bei ihnen weiter?

          Grundsätzlich sind wir bei Zambrano bereit, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Aber es gibt einige Komponenten, die wir berücksichtigen müssen . . .

          . . . Sie meinen das Konsortium, das im Besitz der Transferrechte an dem Peruaner ist?

          Es handelt sich dabei um Vertragsinhalte, deswegen bitte ich um Verständnis, dass ich öffentlich nicht ins Detail gehe. Die Konstellation ist aus unserer Sicht nicht wünschenswert. Fakt ist: Beide Seiten signalisieren die Bereitschaft auf eine weitere Zusammenarbeit. Wir wollen zugleich aber eine bessere Position einnehmen. Carlos Zambrano ist ein Spieler, der eine hohe Qualität besitzt und bei vielen Vereinen begehrt ist. Wenn wir mit ihm den Vertrag fortsetzen und es in Zukunft zu dem Fall kommen könnte, müssten die Interessen der Eintracht entsprechend gewahrt bleiben.

          Was wird aus Inui?

          Bei Inui ist es ganz einfach. Wir haben eine Option, uns relativ spät entscheiden zu können. Deswegen warten wir noch ab und schauen, was auf dem Markt ist. Wir wissen um seine Stärken und Schwächen und können entsprechend abwägen.

          Kadlec ist in Frankfurt in seinen ersten Jahren nicht glücklich geworden. Macht es Sinn, dass er nach der Ausleihe an Sparta Prag im Sommer zurückkehrt?

          Davon gehen wir aus. In Prag funktioniert er. Er wirkt gereift. Er kam als Star aus Tschechien zu uns, hat anfangs gut funktioniert, doch seine Entwicklung geriet ins Stocken, als er auf erste Widerstände traf. Hinter Meier und Seferovic kam der Junge nicht, wie von ihm sicher gewünscht, zum Zug. Man darf nicht vergessen, wie jung er erst ist: 22. Da kann noch einiges passieren, und ich bin zuversichtlich, dass er es beweisen wird. Doch auch bei ihm warten wir ab. Sein Vertrag bei uns läuft noch zwei Jahre. Stand jetzt gehen wir davon aus, dass er nach der U-21-EM zu uns zurückkommt.

          Nur Bremen hat in der Bundesliga so viele Gegentore bekommen wie die Eintracht. In der Defensive haben Sie jedoch mit Oczipka, Anderson und Trapp die Verträge verlängert und wollen dies auch mit Zambrano tun. Wie passt das zusammen?

          Man reduziert das immer auf die Viererkette, das ist falsch. Die Abwehrarbeit fängt vorne schon mit dem Anlaufen an. Das heißt zum Beispiel, wenn man unsere Viererkette mit der von Gladbach vergleicht, die nächstes Jahr Champions League spielt, ist unsere nicht sehr viel schlechter. Die entscheidenden Leute bei denen sind Xhaka, Kramer und Nordtveit, und das ist das Spiel von Favre: Bei ihm sind die Sechser so eng auf der Viererkette, dass du kaum Räume und es unglaublich schwer hast. Diese Kompaktheit, das ist bei uns das Problem der Abwehrschwäche. Da müssen wir dran arbeiten.

          Auf den wichtigsten Führungspositionen abseits der Mannschaft herrscht seit Jahren Kontinuität. Im Sommer könnte ein Umbruch kommen, wenn sich der Aufsichtsrat neu konstituiert. Welchen Einfluss haben die Kontrolleure auf das operative Geschäft des Sportdirektors?

          Bei den Sitzungen des Aufsichtsrates bin ich meistens anwesend und präsentiere Interna, Entwicklungen oder Pläne für die Zukunft. Die Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat hat bisher funktioniert, und ich gehe davon aus, dass das auch in Zukunft so ist. Aber natürlich beobachtet man als Sportdirektor, was im Aufsichtsrat vor sich geht. Aber direkte Einflussnahme gibt es keine.

          Sie selbst sind seit 2011 bei Ihrem „absoluten Wunschverein“ Eintracht Frankfurt. Nach einer Vertragsverlängerung sind Sie vorerst bis 2016 an den Klub gebunden. Das kann aber wohl nur ein Etappenziel sein, oder?

          Mir macht es viel Spaß. Ich glaube auch, wenn man die Arbeit so Revue passieren lässt, haben wir in der letzten Zeit vieles richtig gemacht, und ich hoffe, dass wir hier auch noch eine erfolgreiche Zeit zusammen haben werden. Aber ich mache mir jetzt nicht so viele Gedanken. Für mich ist die Entwicklung eines Vereins wichtiger als die einer Einzelperson. Und den Verein haben wir hier definitiv weiterentwickelt, wenn man zurückblickt auf den direkten Wiederaufstieg, dann im ersten Jahr Platz sechs, im darauffolgenden Jahr die erfolgreiche Europa-League-Saison mit dem besten wirtschaftlichen Jahr der Vereinsgeschichte. Wir haben auch dieses Jahr trotz Umbruch eine ordentliche Saison gespielt und spielen sie noch, dabei bleibe ich. Auch wenn eine gewisse Unzufriedenheit da ist, dass wir nicht das ein oder andere Spiel mehr gewonnen und so noch einen Schritt nach vorne gemacht haben.

          Wie passt da das Credo Ihres Vorstandsvorsitzenden Heribert Bruchhagen rein: Mittelfeld ist nicht gleich Mittelmaß?

          Das stimmt schon, wie er das sagt. Was er damit meint, ist, dass man sich unter den besten 18 Vereinen Deutschlands im Mittelfeld bewegt. Das ist dann kein Mittelfeld, das ist mehr, dann gehört man zu den Top-Klubs in der Bundesliga, und dies unter den Voraussetzungen von Eintracht Frankfurt. In der freien Marktwirtschaft würde man in seinem Absatzmarkt von einem führenden Unternehmen sprechen. Dass man das jedes Jahr wieder neu beweisen muss, ist ganz normal. Aber wir wollen trotzdem irgendwann mal auch nach außen hin zeigen, dass wir als Mannschaft und Verein gefestigt sind, nichts mehr mit dem Abstieg zu tun haben wollen und dann auch den nächsten Schritt einleiten wollen.

          Aber sind die führenden Klubs nicht schon so weit enteilt, dass es nahezu unmöglich ist, diese Lücke zu schließen?

          Ich sehe da nur Bayern, Wolfsburg, Leverkusen und Gladbach klar außerhalb unserer Reichweite. Bei Schalke und Dortmund muss man diese Saison abwarten, sie sind sicherlich hinter ihren Erwartungen geblieben. Ab Platz sieben, der wohl in den nächsten Jahren fürs europäische Geschäft reichen wird, tummeln sich dann viele Vereine. Und in der Zukunft wollen wir perspektivisch in diese Region vorstoßen. Aus dem Hamsterrad kommt man ja nur raus, wenn man etwas riskiert und einen besseren Tabellenplatz hat. Wenn man sonst nur so mitspielt, hat man immer den gleichen Etat. Unsere Situation wird nur besser durch die zusätzlichen Einnahmen aus der Europa League.

          Haben Sie schon den Toralarm des FC Ingolstadt auf Ihrem Handy installiert?

          Den brauche ich nicht, da ich ja die meisten Spiele versuche, live zu sehen. Auch bin ich immer durch meine Söhne und meine Frau informiert. Bei uns läuft zu Hause die ganze Woche der Fernseher mit Fußball aus der ersten und zweiten Liga, so dass ich da über alles sehr gut Bescheid weiß.

          Es gibt Stimmen, die sagen, dass es Ihrem Sohn Benjamin als gesetztem Stammspieler im Falle des Aufstiegs mit Ingolstadt guttun würde, dort noch ein Jahr dranzuhängen. Teilt der Sportdirektor von Eintracht Frankfurt diese Einschätzung – und wie sehen Sie das als Vater?

          Als Sportdirektor kann ich nur sagen, dass es ein interessanter Spieler ist, der sich unheimlich gut entwickelt hat und viele Voraussetzungen mitbringt, die Position auszufüllen, die wir bei der Eintracht suchen: Linksfuß, Deutscher, gute Mentalität und nachgewiesen entwicklungsfähig. Von daher ist das ein Spieler, den wir am Markt sehr gut einschätzen können und der noch unter Vertrag steht. Als Vater muss ich sagen, dass es meiner Meinung nach das Beste ist, wenn er sich mit dem Aufstieg belohnt und dort in Ingolstadt mindestens ein Jahr in der Bundesliga spielt. Vielleicht ist da ja auch mehr drin als nur ein Jahr, denn ich glaube, dass es für ihn dort optimal ist, weil er dort etabliert ist. Wenn er zu einem anderen Verein gehen würde, müsste er sich zuerst mal gegen das Stammpersonal durchsetzen. Dies traue ich ihm aber zu. Er ist momentan sehr gut in Ingolstadt aufgehoben und hat dort noch einen Vertrag, und zwar bis 2017.

          Das Gespräch führten Marc Heinrich und Ralf Weitbrecht.

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