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Ehemaliger EBS-Präsident : Fehler im Verfahren gegen Jahns

Sieht sich als Opfer: Christopher Jahns.

Sieht sich als Opfer: Christopher Jahns. Bild: dapd

In dem Verfahren gegen den früheren Präsidenten der EBS, Christopher Jahns, hat der Sprecher der Wiesbadener Staatsanwaltschaft, „einen bedauerlichen Fehler“ zugegeben.

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          In dem Verfahren gegen den früheren Präsidenten der EBS, Christopher Jahns, hat Hartmut Ferse, der Sprecher der Wiesbadener Staatsanwaltschaft, „einen bedauerlichen Fehler“ zugegeben. Ferse hatte dem „Wiesbadener Kurier“ am Wochenende auf eine Anfrage hin fernmündlich bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft wegen gewerbsmäßiger Untreue Anklage gegen Jahns erhoben habe, obwohl diesem die Anklageschrift noch nicht zugestellt worden ist.

          Ewald Hetrodt
          Korrespondent der Rhein-Main-Zeitung in Wiesbaden.

          Damit verstieß der Oberstaatsanwalt offenbar gegen die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren. In Ziffer 23 heißt es dort: „Über die Anklageerhebung und Einzelheiten der Anklage darf die Öffentlichkeit grundsätzlich erst unterrichtet werden, nachdem die Anklageschrift dem Beschuldigten zugestellt oder sonst bekannt gemacht worden ist.“ Er habe sich „dummerweise dazu hinreißen lassen“, sagte Ferse gestern dieser Zeitung. Der Lokalredakteur habe ihn zu Hause „wohl in einem Zustand geistiger Umnachtung“ angetroffen.

          Jahns hat Land Hessen auf Schadensersatz verklagt

          Mit diesem Vorgehen setze die Staatsanwaltschaft eine Serie von Rechtsverletzungen fort, obwohl es klare Vorgaben für die Öffentlichkeitsarbeit der Behörden gebe, sagte Jahns’ Rechtsanwalt Alfred Dierlamm gestern. „Offenbar will die Staatsanwaltschaft auch weiterhin keine Gelegenheit auslassen, meinen Mandanten öffentlich vorzuverurteilen.“ Da die Anklageschrift bislang nicht zugeschickt worden sei, könne sich die Verteidigung nicht zu den Vorwürfen äußern.

          Wie berichtet, hat Jahns das Land Hessen Anfang April auf Schadenersatz verklagt. Die wiederholten Vorverurteilungen durch Pressesprecher der Justiz hätten den Eindruck erweckt, als sei Jahns schon der Untreue überführt, heißt es in dem Schriftsatz der Bonner Kanzlei Redeker. Unabhängig von dem Ausgang der Ermittlungen sei Jahns „dauerhaft mit dem Stigma eines angeblich überführten, hochkriminellen Straftäters behaftet“.

          Der Wirtschaftswissenschaftler sieht sich als Opfer

          Gegen den 43Jahre alten Hochschullehrer war vor einem Jahr ein Haftbefehl erlassen worden, der unter Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde und inzwischen aufgehoben ist. Die Staatsanwaltschaft warf Jahns vor, als Teilhaber des Beratungsunternehmens Brain Net vier Scheinrechungen in einer Gesamthöhe von 180.000 Euro ausgestellt zu haben, die er als Präsident der EBS beglichen habe. Später kam der Vorwurf hinzu, mit Fahrer und Dienstwagen nicht korrekt umgegangen zu sein.

          Der Wirtschaftswissenschaftler sieht sich als Opfer einer Intrige. Er führt sie auf zwei ehemalige Mitarbeiter der privaten Hochschule zurück und glaubt beweisen zu können, dass die beiden „aus Hass“ auf ihn zunächst eine öffentliche Diffamierungskampagne gestartet und dann die Staatsanwaltschaft in die Irre geführt hätten. Die EBS hatte Jahns nach der Verkündung des Haftbefehls entlassen und acht fristlose Kündigungen gegen ihn ausgesprochen. Allerdings endete das Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit einem Vergleich. Man einigte sich mit Jahns auf eine Abfindung in Höhe von 380.000 Euro.

          Anklage soll zurückgegeben werden

          Auch in Jahns’ Schadenersatzklage spielt Ferse die Hauptrolle. So wird ihm beispielsweise vorgeworfen, seine Auskünfte gegenüber Journalisten nicht mit dem Hinweis auf die Unschuldsvermutung versehen zu haben. Ferse sagte dazu, dass es sich bei diesem Prinzip um eine Selbstverständlichkeit handle. „Inzwischen weise ich jeden darauf hin.“

          Amtspflichtverletzungen werfen die Anwälte nicht nur dem Sprecher der Justizbehörde, sondern auch der ermittelnden Oberstaatsanwältin Gabriele Türmer vor. Jahns habe sich bisher nicht in rechtsstaatlicher Weise zu den verfahrensrelevanten Sachverhalten äußern können. Eine Vernehmung sei „aus Kapazitätsgründen“ abgebrochen worden. Außerdem würden der Verteidigung bis heute entlastende Beweismittel vorenthalten.

          Dierlamm hat beim Landgericht beantragt, die Anklage wegen schwerwiegender Verfahrensverstöße an die Staatsanwaltschaft zurückzugeben. Nach Ferses Angaben ist damit zu rechnen, dass Jahns die Anklageschrift in den nächsten zwei Wochen zugestellt wird. Damit beginnt das sogenannte Zwischenverfahren, in dem das Gericht die Anklageschrift prüft. Der Beschuldigte muss die Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen. Das Gericht kann weitere Beweise erheben lassen. Am Ende muss es entscheiden, ob ein Hauptverfahren eröffnet wird oder nicht. Der Richter kann den Inhalt der Anklage auch abändern. Das Zwischenverfahren ist im Unterschied zum Hauptverfahren nicht öffentlich und kann sich über Monate hinziehen.

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