Deutscher Weihnachtsmarkt in England : „Birmingham, hello!“
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Volksfeststimmung: der deutsche Weihnachtsmarkt in Birmingham. Bild: Franziska Bährle
Bei der Eröffnung des Weihnachtsmarkt-Ablegers in der englischen Partnerstadt geht sogar Oberbürgermeister Peter Feldmann ausnahmsweise einmal aus sich heraus.
Sie können es offenbar nicht erwarten. „Can’t Wait For Christmas“ steht in Mehrfachwiederholung an der Glasfassade von Birminghams „Bullring“ geschrieben - so heißt das Einkaufszentrum, das, mitten in der City gelegen, jegliche deutsche Vorstellungskraft von Konsumtempeln sprengt. Zwei Häuser beherbergen rund 160 Geschäfte mit 125.000 Quadratmetern Fläche hinter spektakulärer Architektur.

Redakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.
Shopping spielt in der zweitgrößten Stadt Großbritanniens, die sich bereits in den Sechzigern ein Einkaufszentrum in die Mitte setzte, von jeher eine große Rolle, und in der Vorweihnachtszeit ganz besonders. Sie beginnt traditionell schon Mitte November, da die anglikanische Kirche keinen Totensonntag kennt.
Verhaltene Reaktion auf den Ruf des Oberbürgermeisters
So kommt es, dass auch der „Frankfurt German Christmas Market“ in der britischen Partnerstadt zwei Wochen früher beginnt als sein deutsches Vorbild. Am vergangenen Freitag war die offizielle Eröffnung mit deutschen Schlagern und Volksfeststimmung auf dem Rathausvorplatz. Dieser konnte sich sogar Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) nicht entziehen, der seinen Antrittsbesuch in der Partnerstadt auf den Eröffnungstermin gelegt hatte.
Am Nachmittag war der Frankfurter Rathauschef mit glänzenden Augen und heiße Maronen pellend über den Markt geschlendert. Am Abend rief er dreimal hintereinander mutig vom Balkon: „Birmingham, hello!“ Die Reaktion fiel verhalten aus, die Engländer wussten nicht so recht, was sie mit dem Schlachtruf anfangen sollten. Dass ausgerechnet Stadtrat Michael Paris, frisch aus der SPD und von Feldmann auch aus dem Aufsichtsrat der Tourismus- und Congress-Gesellschaft gedrängt, dem Stadtoberhaupt jubelnd Schützenhilfe leistete, muss man wohl der ansteckenden Freundlichkeit in Birmingham zuguterechnen.
Es geht vor allem ums Essen und Trinken
Optisch unterscheidet sich die Kopie, abgesehen von der schrilleren Straßen-Festbeleuchtung, kaum vom Original. Die robusten Holzhütten sind weihnachtlich herausgeputzt und verteilen sich über die New Street, einer Fußgängerzone, die sogar noch etwas Altbaubestand hat, bis zum Victoria Square vor dem imposanten Rathaus. Das ist der Platz, auf dem das Jungvolk abends feiert. Das Kinderkarussell dreht sich mindestens doppelt so schnell wie in Frankfurt.
Hier wie dort geht es vor allem um Essen und Trinken. Das sind auf der süßen Seite: Krapfen, die Berliner heißen, in allen Farben, Köhlerküsse in vielen Geschmacksvariationen, Sahnetorten wie Schwarzwälder Kirschtorte und gebrannte Mandeln. Das deftige Programm umfasst neben Frankfurter Würstchen vor allem Bratwürste, aber auch Krustenbraten. Dass der Weihnachtsmarkt bei den Briten so gut ankommt - fünf Millionen Besucher sollen es im vergangenen Jahr gewesen sein -, hängt aber vor allem damit zusammen, dass deutsches Bier ausgeschenkt wird. Die Briten feiern einfach gerne. Und wenn es dann noch, wie auf dem Weihnachtsmarkt, ausnahmsweise erlaubt ist, Alkohol auf der Straße zu trinken, umso besser. Zum dreizehnten Mal organisiert die Frankfurter Tourismus- und Congress-Gesellschaft den Markt, der auch einen englischen Teil hat, allen voran Kurt Stroscher. Er ist der Mann für alle Feste in und aus Frankfurt. Der Weihnachtsmarkt in Birmingham, 1997 zunächst in einem etwas holprigen Versuch gestartet, und dann 2000 professionell auf den Weg gebracht, ist sein Kind.
Der Exportschlager schwächelt
Geschäftlich funktioniert das Exportmodell wie folgt: Die Frankfurter Tourismusgesellschaft vermietet Stände - aus anfänglich 40 wurden gut 110 - an Aussteller aus Deutschland und zahlt wiederum Gebühren an die Stadt Birmingham. Die Preise für die Ausstellungsfläche sind bis zu dreimal so hoch wie in Frankfurt. Außerdem geht der Warentransport aus Deutschland - einmal die Woche wird frisch angeliefert - ins Geld. Das wirkt sich auch auf die Preise aus. Für einen Bierkrug, der zwei Pints fasst - das ist etwas mehr als ein Liter - zahlen Besucher knapp neun Euro. Der Becher Glühwein kostet 4,80, und die Halbe-Meter-Bratwurst knapp sechs Euro. Gleichwohl, von ihrem Umsatz, den sie nicht näher beziffert, behalte sie keine zehn Prozent Gewinn, erzählt Marlies Löwenthal aus Bremen, Chefin von 16 Buden in Birmingham, die mehr als 110 Leute beschäftigt. Im Oktober habe sie allein für 50.000 Euro Flüge gebucht. Das sind die Zahlen hinter der Budenzauberromantik.
Wie viel Geld unter dem Strich aus dem Exportschlager, als der der Frankfurter Weihnachtsmarkt in Birmingham gerne bezeichnet wird, herausspringt, verrät Geschäftsführer Thomas Feda nicht. Nur so viel: „Wir machen keine Verluste.“ Festorganisator Stroscher spricht von einer „phantastischen Marketingmaßnahme“. Es gebe keine positivere Werbeplattform für Frankfurt als den Weihnachtsmarkt.
Der Exportschlager freilich schwächelt. Zu Hochzeiten hatte die Frankfurter Tourismusgesellschaft sechs Märkte in Großbritannien am Laufen. Inzwischen sind die Engländer offenbar selbst auf den Geschmack gekommen und veranstalten die Märkte in Eigenregie. Frankfurt hat noch zwei: Birmingham und Leeds. Immerhin, der Vertrag für Birmingham läuft noch fünf Jahre.