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Der Koch der Banker : Aromatisches nur für Chefs

Grünfinger: Jörg Leroy, Restaurantleiter der Deutschen Bank, zupft Kräuter. Bild: Wonge Bergmann

Seit 18 Jahren bekocht Jörg Leroy bei der Deutschen Bank die Gäste des Vorstands. Dafür hat er sich etwas Besonderes ausgedacht – an einem überraschenden Ort.

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          Jörg Leroy nimmt die orangefarbene Blüte zwischen die Finger, beugt sich hinunter zum Pflanzenkübel und atmet tief ein. „Das ist Yauhtli, das schmeckt so ähnlich wie Estragon“, sagt er, als er wieder oben ist und grinst wie ein Schulkind, das gerade seine Lieblingssüßigkeit in der Vesperbox gefunden hat. „Stellen Sie sich das mal vor: Einen Fisch schön in Olivenöl konfieren, dazu eine Tomaten-Schalotten-Vinaigrette, die Yauhtli druntermischen – mega!“ Fast zu jedem der Kräuter, die hier in den grauen Kübeln wachsen, fallen Leroy solche Sätze ein. Das hier ist sein Reich. Seit sieben oder acht Jahren, so ganz genau weiß er das selbst gar nicht mehr, lässt Leroy hier Kräuter wachsen. An einem Ort, an dem wohl kaum jemand wohlduftende Pflanzen erwartet hätte: auf dem Dach der Deutschen Bank mitten in Frankfurt.

          Anna-Sophia Lang
          Redakteurin in der Rhein-Main-Zeitung.

          Unten lärmen Autos auf der Mainzer Landstraße, die genau vor den zwei Türmen der Bank in die Taunusanlage übergeht. Fahrer hupen, Motoren heulen, wenn jemand zum Überholmanöver ansetzt. Oben, auf dem Dach des Sockels, aus dem die Türme in die Höhe wachsen, ist es friedlich. Eine kleine Oase, als wäre das da unten weit weg. Ringsherum sieht man die anderen Bankentürme glitzern und dazwischen Baustellen von Türmen, die den Hochhaus-Dschungel immer dichter werden lassen.

          „Leiter der Gästebewirtung“ seit 18 Jahren

          „Garnelen in die Pfanne, Schalotten und Knoblauch dazu, das Currykraut rein und kurz danach wieder raus“, sagt Leroy, als er an einer silbrig-grünen Pflanze mit schmalen Blättern vorbeigeht. Seit beinahe 18 Jahren ist der Neunundvierzigjährige Restaurantchef der Bank, oder ganz korrekt ausgedrückt: „Leiter der Gästebewirtung“, auf Englisch „Head of Executive Catering“. Mit einem Team von fünf Mitarbeitern, bewirtet er Kunden und Gäste, die Termine mit der Vorstandsebene der Deutschen Bank haben. Mal macht er Frühstück, mal Lunch, mal Dinner, mal verpflegt er Konferenzteilnehmer.

          Kräutergarten auf dem Sockel vor den Zwillingstürmen der Deutschen Bank in Frankfurt.
          Kräutergarten auf dem Sockel vor den Zwillingstürmen der Deutschen Bank in Frankfurt. : Bild: Wonge Bergmann

          Leroy hat lange Zeit in der Sterne-Gastronomie gearbeitet, darunter sechs Jahre mit Johann Lafer, im Restaurant Le Val d’Or, im Chez Alex in Köln und in Wiesbaden bei Alois Köpf. Bei der Deutschen Bank dauert seine Woche von Montag bis Freitag. Hier kann er seit Jahren verwirklichen, was seiner persönlichen Kochphilosophie entspricht. Auf Edelprodukte wie Hummer, Kaviar oder Gänseleber verzichtet er gern, sie sind für ihn kein Muss. „Mit Kochkunst hat das nicht unbedingt was zu tun“, sagt er. Kreatives Kochen heißt für ihn viel eher, sich nicht nur die Filetstücke rauszupicken, sondern mit allen Teilen eines Tiers etwas anzufangen und mit dem, was die Jahreszeit gerade zu bieten hat.

          Sein Thema ist die leichte Kost, die ohne schwere Soßen auskommt und im Zweifel eher fischlastig ist. Verarbeitet er Fleisch, will er wissen, wo es herkommt. „Ich würde nie einen Kalbsrücken kaufen, auf dem nur steht, dass er ,aus EU-Ländern‘ kommt. Da fühle ich mich nicht wohl.“ Lamm und Geflügel bezieht er meist aus Niederbayern, Rind vor allem aus dem Vogelsberg von einem Hof, der hauptsächlich Färsen hält, Kalb aus dem Taunus. Kennt er einen neuen Lieferanten nicht schon aus Empfehlungen von Bekannten, fährt er auch selbst hin, bevor er bestellt.

          Die Kräuter sind immer dabei

          Immer dabei in der Küche sind Kräuter. Zum Hirsch macht Leroy gern eine Honigkruste mit Rosmarin. Dieses Jahr gaben zwei große Basilikum-Ernten Stoff für Pesto auf Vorrat, das er immer wieder für verschiedene Gerichte nutzen konnte, und für ein Birnen-Basilikum-Sorbet. Sorbet macht er auch aus der Verbene, die wunderbar nach Zitrone duftet, wenn man ihre Blätter in der Hand zerreibt. Sie macht sich auch gut in einem Sirup, mit dem Leroy zum Beispiel Ragouts aromatisiert. Blüten vom Thymian oder anderen Kräutern lassen sich frittieren oder, wenn sie gar zu zart sind, zur Dekoration nutzen. Der Kräutergarten ist Leroys Herzensprojekt. Dort kann er anpflanzen, was ihm in den Sinn kommt, auch Seltenes wie die Yauhtli oder wie Austernkraut, das er sonst kaum irgendwo bekommt. Außerdem: „Wir haben so schnittfrische Kräuter, besser geht’s nicht.“

          Nur den Weg vom 36. Stock, in dem die Küche liegt, auf das Dach des Sockels muss er zurücklegen. „Das ist das einzig Lästige.“ Denn der Weg ist nicht ganz unanstrengend, auf jeden Fall nichts für Leute, die nicht gern Treppen steigen. Elf Treppen geht es vom Erdgeschoss der Bank aus nach oben, dann noch eine enge Wendeltreppe hinauf, bis man durch ein großes Schiebefenster nach draußen steigen kann. Um die drei Mal je Woche kommt Leroy hierher, gießt, was gegossen werden muss, und schaut, ob alles gedeiht. Viel Arbeit machen die Kräuter nicht. Bei Tomaten, die hier wuchsen, war das anders. Der Küchenchef winkt deshalb gleich ab, wenn Mitarbeiter über Zucchini und anderes Gemüse ins Gespräch bringen. „Man kann hier auch nicht alles machen“, sagt er, „die Sonne brennt drauf, es ist ungeschützt.“

          Für zwei riesige Muskat-Kürbisse hat es dieses Jahr immerhin gereicht, und für Erdbeeren. Dem Lorbeer gefällt es prächtig, zwei Sorten Thymian sind groß gewachsen, die Minze gedeiht und der Oregano hat sich aus den Kübeln hinaus auf dem ganzen Dach angesiedelt. Leroy kniet sich hin, fährt mit den Händen durch die Büsche mit den lilafarbenen Blüten. „Das ist doch einfach schön“, sagt er. Ein lauer Windstoß kommt und pustet zwischen den Kübeln hindurch. Es riecht nach Thymian, unverkennbar. Mitten in Frankfurt auf dem Dach einer Bank.

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