„Verstoß gegen Gesetz“ : Der Vogelsberg leidet unter Frankfurts Durst
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Wassermann: Der Ökologe Hand-Otto Wack sorgt sich um den Vogelsberg, der viel Wasser an Frankfurt abgeben muss Bild: Sandra Schildwächter
Die Main-Metropole Frankfurt bezieht Wasser aus großer Entfernung und schädigt die Natur im ländlichen Vogelsberg. Dabei gibt es eine Alternative. Betriebswasser lautet das Stichwort.
Der nächste Dürresommer kündigt sich an. Damit wird auch der jahrealte Streit um das Grundwasser in die nächste Runde gehen. Der Ökologe Hans Otto Wack, wissenschaftlicher Berater der Schutzgemeinschaft Vogelsberg, bemüht sich, die Diskussion zu versachlichen: Er zeigt, wie mit dem Trinkwasser Geschäfte gemacht werden, und plädiert für den flächendeckenden Einsatz von Betriebswasser in Frankfurt. Dabei stützt er sich auf eine Dokumentation der Schutzgemeinschaft, die ein zukunftsfähiges Versorgungskonzept für den Leitungsverbund Rhein-Main erarbeitet hat.
Wack sieht einen Verstoß gegen das Wasserhaushaltsgesetz, wonach die Wasserversorgung ortsnah zu sein hat. Dagegen könnte geklagt werden. Einen Transport über 100 Kilometer als regionale Versorgung zu bezeichnen, hält Wack für Etikettenschwindel. Das Konstrukt der Fernwasserversorgung gehe im Übrigen auf Beschlüsse der Stadt Frankfurt von 1872 zurück.
Wann Vogelsbergern der Kamm schwillt
Wenn die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Die Grünen) die Bürger wie im Sommer 2018 dazu aufruft, neu gepflanzte Bäume im Stadtgebiet mit Wasser aus dem eigenen Hahn zu gießen, dann schwillt den Vogelsbergern der Kamm. Denn während sie und die Natur teils massiv mit den Folgen der gefallenen Grundwasserspiegel zu kämpfen haben, werden jedes Jahr 40 bis 45 Millionen Kubikmeter des lebenswichtigen Rohstoffs in den südlich gelegenen Ballungsraum geleitet – mehr als ein Drittel dessen Gesamtbedarfs. Die Stadt Ulrichstein musste beispielsweise Ende vorigen Jahres einen 200 Meter tiefen Brunnen bohren lassen, um die Versorgung der Einwohner sicherzustellen.
„Zunächst ist festzuhalten, dass das Wasser niemandem gehört. Juristisch ist es als freies Gut ohne Preis definiert – genauso wie die Luft“, erklärt Wack. Zu Buche schlage lediglich der Aufwand für Förderung und Weiterleitung. Gemäß dem Wasserhaushaltsgesetz sind die Kommunen verpflichtet, die Bevölkerung mit Wasser zu versorgen, und zwar kostendeckend und ohne Gewinn zu erwirtschaften. Das können sie aber an Dritte delegieren. Dabei entsteht durch gewinnorientierte Unternehmen eine Wertschöpfungskette wie beim Handel.
Hessenwasser als Käufer
Im Vogelsberg fördert unter anderem die Ovag das Wasser. Sie verkauft es an die Hessenwasser GmbH & Co. KG, die Beschaffungsgesellschaft zur Bereitstellung von Trinkwasser im Rhein-Main-Gebiet, an der die Stadt Frankfurt zu gut einem Drittel beteiligt ist. Hessenwasser verkauft es an die Mainova AG, deren größter Anteilseigner Frankfurt ist. Mainova veräußert das kühle Nass schließlich an den Verbraucher und führt die Gewinne an die Stadt ab. Das heißt: Drei privatrechtliche Unternehmen wollen am Wasser auf dem Weg in die Häuser verdienen.
Und das tun sie auch kräftig. Mainova machte im Jahr 2017 rund 5,7 Millionen Euro Gewinn nur mit Wasser, Hessenwasser 7,5 Millionen Euro, bei der Ovag wisse man es nicht so genau, sagt Hans Otto Wack. Dieses Konstrukt garantiere der Stadt Frankfurt auf alle Fälle üppige Einnahmen.