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Sänger Denis Wittberg : So schön, wie es war, soll es wieder werden

Ein Mann und sein Orchester: Denis Wittberg und die Schellack-Solisten. Bild: Dirk Hunstein

Denis Wittberg bringt die Schlagermusik der zwanziger Jahre auf die Bühne. So bekannt wie Max Raabe ist er noch nicht. Aber er hat ganz besondere Stücke im Repertoire. Sein Konzert in Höchst ist fast ausverkauft.

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          Denis Wittberg sieht aus, als sei er einfach herüberspaziert aus der Vergangenheit. Seine Haare glänzen im Scheinwerferlicht. Er trägt einen weißen Zweireiher und eine schwarze Fliege. Wittberg stellt sich vor ein kreisrundes Mikrofon und dreht den Kopf kaum merklich zur Seite, aber was er auch tut, der Rücken bleibt durchgedrückt. „Meine Damen und Herrrrren, hochverehrrrtes Publikum“, sagt er. „Der Kuss ist die charmanteste Erfindung des Menschen. Er ist jederzeit verfügbar und für jedermann erschwinglich. Probieren Sie ihn doch einfach mal aus, den Kuss. Wenn es sein muss, an der eigenen Gattin.“

          Morten Freidel
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung

          Dann setzt das Orchester ein, als hätte es nie eine andere Musik gegeben als die Schlager der zwanziger und dreißiger Jahre. Posaunen und Trompeten schmettern durch die Stadthalle in Hofheim, getaktet vom Schlagzeugbesen; der Pianist bedient seinen Flügel mit der Lässigkeit eines Barmusikers. Wittberg hebt das Kinn und singt „Lieber einmal zu viel als zu wenig geküsst“, das Lied stammt aus dem Jahr 1937. Seine Darbietung und die seiner Schellack-Solisten haben nichts Staubiges an sich. Für ein Orchester, das Musik aus der Vergangenheit aufführt, ist das wohl die größte Errungenschaft.

          Die Oberklasse: Max Raabe

          Ungefähr 25 bis 30 Mal im Jahr tritt Wittberg auf. Konzerte akquiriert er selbst, die meisten finden im Rhein-Main-Gebiet statt. Zwei Stunden lang spielen sich die Schellack-Solisten dann durch die populäre Musik der Zwischenkriegszeit, von Klassikern wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ bis hin zu unbekannteren Stücken, zum Beispiel „Wenn ich Liebe brauch’, dann geh’ ich zu Pauline“ oder „Weißt du was, du kannst mich am Nachmittag besuchen“. 160 Lieder haben er und sein Orchester eingeübt, auch im Fernsehgarten des ZDF sind sie schon aufgetreten.

          Verglichen mit Max Raabe und seinem Palast Orchester aber ist Wittberg kaum bekannt. Seit Raabe 1994 in „Der bewegte Mann“ auftrat, dem Film, der den Deutschen Til Schweiger bescherte und ihm den Durchbruch, klettern die Platten des Berliners durch die Charts. 2013 erreichten er und sein Orchester mit ihrem Album „Für Frauen ist das kein Problem“ Platz zwei. Sogar in der Carnegie-Hall durfte Raabe schon auftreten, der legendären Konzerthalle in New York, deren Bühne man nur als Star betritt und als noch größerer Star verlässt. Raabe ist der Mercedes unter den wiedergeborenen Schlagersängern. Wittberg hat es bislang noch nicht in die Oberklasse geschafft.

          Aus „Nutten“ werden „Damen“

          An der Qualität seines Auftritts in Hofheim liegt das nicht. Wittbergs Gesang ist eine Reise in die Tanzlokale Berlins um das Jahr 1925, als die Stadt fast genauso viele Einwohner hatte wie New York und ebenso viel kulturelle Wucht. Er singt mit rollendem „r“, manchmal spricht er fast. Kleidung und Gestik sind Teil der Inszenierung. Nach der Pause tauschen Wittberg und sein Orchester die Farben: Er tritt im schwarzen Frack auf, die Solisten im weißen Sakko. Seine Violinistin führt Wittberg am ausgestreckten Arm auf die Bühne.

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