Demonstration gegen Polizei : Alles bunt, alles friedlich
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Diesmal nicht: Nahe dem Schauspielhaus waren eine Woche zuvor 1000 Demonstranten eingekesselt worden. Bild: Kaufhold, Marcus
Gute Stimmung und keine Konfrontation: Rund 7000 Menschen protestieren gegen die Polizei.
Um halb zwölf ist der Baseler Platz voll. Die Menschen drängen sich dicht an dicht, stehen auf der Kreuzung oder liegen auf dem Rasen. Viele sind verkleidet, tragen Perücken und bunte Sonnenbrillen. Ab und zu fliegt Konfetti durch die Luft. Wer nicht weiß, dass diese Leute an diesem Vormittag gegen das Verhalten der Polizei am vergangenen Samstag demonstrieren wollen, hätte meinen können, es handele sich um eine bunte Parade. Doch beim Demonstrationszug sind dann auf Plakaten die Bilder zu sehen, die den Grund dafür geliefert haben, dass hier rund 7000 Personen zusammengekommen sind: Szenen vom 1. Juni, dem Tag, an dem das antikapitalistische Blockupy-Bündnis seinen Unmut gegen die Politik der Troika zeigen wollte, dies aber nicht konnte, weil die Polizei einen riesigen Kessel um 1000 Demonstranten gezogen hatte. Die Bilder zeigen Hundertschaften, wie sie sich ihren Weg durch die Menge bahnen und wie sie Demonstranten über die Straße schleifen; auch jene, die offensichtlich keiner radikalen Gruppe angehören.
Kurz bevor sich an diesem Samstag der Zug vom Baseler Platz in Bewegung setzt, um jene Strecke abzugehen, die sieben Tage vorher auch für den Blockupy-Protest vorgesehen war, fliegt noch einmal Konfetti durch die Luft. Der Anmelder des zweiten Protestzugs, Jan Umsonst, ist vorne mit dabei. Seinem Aufruf sind die Grünen, die Linkspartei, Gewerkschaften, Globalisierungskritiker, Flughafengegner, aber auch viele Studenten, Familien mit Kindern und Rentner gefolgt, die gar keiner Gruppe angehören. Umsonst hatte zuvor schon gesagt, er wolle trotz des Grolls gegen die Polizei einen friedlichen Protest. Statt aggressiver Parolen setze er auf Karikatur.
Nur einmal wird es laut
So hat sich ein Demonstrant als Pfefferspray-Dose verkleidet. Viele weitere haben Regenschirme und Styroporschilde dabei. Der Leiter des 4. Reviers, Marco Weller, der diesmal die Polizeiführung übernommen hat, hatte im Kooperationsgespräch mit dem Veranstalter schon gesagt, dass das diesmal „in Ordnung“ sei. Als die 7000 Demonstranten an der Europäischen Zentralbank vorbeiziehen, steht Weller an der Zugstrecke und schaut sich den bunten Umzug an. Es erinnere ihn an die Anfänge von Occupy, sagt er. Damals seien ja auch viele friedlich, bunt und laut trommelnd durch die Straßen gezogen.
Auf der gesamten Strecke wird es nur einmal laut. Und zwar, als die Teilnehmer einen Stopp an der Hofstraße einlegen, an der Rückseite des Schauspielhauses. Dort, wo die Polizei am 1. Juni die Demonstranten eingekesselt hatte. Vom Lautsprecherwagen wird heruntergerufen, dass die Polizei „systematisch“ vorgegangen und der Kessel „gewollt“ gewesen sei. Es sei auch in Zukunft wichtig, vor die EZB zu ziehen, dorthin, „wo Proteste offenbar unerwünscht sind“. Mitten in der Menge steht ein älteres Ehepaar. Die Frau sagt, sie seien auch am vergangenen Samstag dabei gewesen. Was die Polizei sich da geleistet habe, sei „gar nicht gut“ gewesen, ein ähnlich brutales Vorgehen habe sie trotz zwanzigjähriger Demonstrationserfahrung noch nicht erlebt.
Es gibt noch viele Zwischenkundgebungen an diesem Tag, in den Reden geht es längst nicht mehr nur um den umstrittenen Polizeieinsatz, sondern um die generelle Unzufriedenheit mit der Krisenpolitik. Als der Zug am Opernplatz anhält, dauert es keine zehn Sekunden, dann springen die ersten Demonstranten in den Brunnen, um sich abzukühlen, wohl wissend, dass die Polizei sie gewähren lässt. Einige Minuten später ist der Brunnen voll mit Menschen. Kinder planschen vergnügt herum, junge Leute erfrischen sich unter dem Wasserstrahl. Die Polizei steht daneben und gibt sich entspannt. So bekommen die Worte von Polizeipräsident Achim Thiel, der über eine Pressemitteilung ausrichten ließ, er freue sich „über den friedlichen Verlauf“, eine völlig neue Bedeutung.