Psychiaterin über Ali Bashar : Egozentrisch, manipulativ, empathielos
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Der 22 Jahre alte Ali B. dementiert weiterhin die Vergewaltigung von Susanna F. Bild: dpa
Im Prozess um die getötete Schülerin Susanna F. aus Mainz berichtet wenige Wochen vor dem Urteilstermin die psychiatrische Gutachterin. Den angeklagten Ali Bashar beschreibt sie als faulen und frauenverachtenden Mann, der in seinem Leben immer nur an sich selbst gedacht habe.
Es war ein Termin, den Prozessbeteiligte wie Zuhörer mit Spannung erwartet hatten: In genau zwei Wochen will das Landgericht Wiesbaden ein Urteil sprechen in dem so politisch gewordenen Fall um das 14 Jahre alte Mädchen und den 22-jährigen Iraker, der sie im Mai 2018 nahe einer Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim vergewaltigt und anschließend erwürgt haben soll, um seine Tat zu vertuschen. Die Tötung hat er gestanden, aber die Vergewaltigung bestreitet er nach wie vor. Es sei einvernehmlicher Sex gewesen, sagt er. Viele Zeugen haben seit Prozessbeginn im März vor der Schwurgerichtskammer ausgesagt, und auch für diesen Tag hat das Gericht noch einmal vier geladen.
Doch besonders von dem Gutachten der Medizinerin erhoffen sich alle viel: Einen tieferen Einblick in die Psyche des mutmaßlichen Täters. Tiefer, als er ihn selbst bisher gegeben hat und als das, was sich mithilfe der Zeugenaussagen rekonstruieren lässt. Mehr als 15 Stunden hat die Fachärztin für Psychiatrie mit Ali B. verbracht, hat ihn zu seinem Leben und zur Tat befragt – und sehr viel klarere Worte hätte sie am Ende nicht finden können.
Wartete wohl vor Clubs auf betrunkene Mädchen
„Er hat keine Interessen, die über das eigene Wohlergehen hinausgehen“, sagt sie. Ali B. sei „ausgeprägt selbstbezogen“, habe einen „ausbeuterisch-parasitären Lebensstil“, sei „auf die eigene Bedürfnisbefriedigung fixiert“ und lasse sich „vom Staat alimentieren“. Insgesamt diagnostiziert sie eine dissoziale Persönlichkeitsstörung mit starken psychopathischen Zügen. Das Bild, das sie über mehrere Stunden hinweg von dem 22-Jährigen zeichnet, verstärkt den Eindruck, den die mehr als zehn zurückliegenden Verhandlungstage von ihm hinterlassen haben: Ein junger Mann, der eigentlich nicht dumm ist, aber aus purer Faulheit seit Kindheitstagen weder die Schule besuchte noch sonst über längere Zeit irgendeiner Arbeit nachging. „Er wollte lieber mit Freunden abhängen, obwohl ihn seine Mutter teils bis vor die Schultür gebracht hat.“ Bei den Sprachkursen nach der Flucht aus dem Irak nach Deutschland sei es das gleiche gewesen, so die Psychiaterin. Ebenso mit einem kurzzeitigen Job in einer Kindergarten-Küche, den er schnell wieder schmiss.
Ali B. habe sich lieber von seiner Mutter bekochen lassen, nachdem er mittags aufgestanden war und teils noch spätnachts, wenn er vom Herumziehen in der Stadt mit anderen nach Hause kam. Seine nächtlichen Ausflüge hatten wohl auch mit der Suche nach Mädchen zu tun, mit denen er Sex haben wollte. Denn seit die Familie im Winter 2015 nach Deutschland gekommen war, hatte er nicht nur mehrere Beziehungen, sondern parallel auch sexuelle Kontakte zu anderen. B., so lautet die Einschätzung der Psychiaterin, habe immer wieder Kontakt zu jungen Mädchen aufgenommen, die er nicht oder nur flüchtig kannte. Oft habe er Nachrichten mit eindeutig sexuellen Konnotationen verschickt, teils auch nach der Jungfräulichkeit gefragt, um dann hinterherzuschieben: „Bald nicht mehr.“ Mehrere Zeugen hatten zudem berichtet, dass B. nachts vor Clubs gewartet habe, um betrunkene Mädchen abzupassen. „Es ging ihm nicht um eine spezielle Person, sondern einfach um irgendein Mädchen“, sagt die Gutachterin. Auch nach der Tötung von Susanna, die er gestanden hat, verschickte er noch entsprechende Nachrichten und versuchte über Bekannte, an Nummern von Mädchen zu kommen.