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Japanisches Kino in Frankfurt : Gesichter der Großstadt

Grell,bunt und laut sind die nächtlichen Straßen einer japanischen Metropole. Bild: Reuters

Die urbane Kultur Japans mag für Außenstehende verwirrend erscheinen. Einen überaus unterhaltsamen Übersetzungsansatz findet man auf dem Filmfestival Nippon Connection in Frankfurt.

          2 Min.

          Tokyo oder Kyoto: Die pulsierenden japanischen Metropolen muten für manchen Außenstehenden wie ein undurchdringliches Netz aus Straßen, grellen Lichtern und anonymen Gesichtern an. Hinter die Fassade zu schauen, ist nicht einfach, wie Bill Murray in Sofia Coppolas „Lost in Translation“ einst feststellen musste.

          Alexander Davydov
          Sportredakteur.

          Einen Übersetzungsansatz für das deutsche Publikum bietet das Filmfestival Nippon Connection nun schon zum 18. Mal. Denn auch dieses Jahr werden in Frankfurt noch bis Sonntag mehr als 100 Filme aus Japan präsentiert. Städte und Stadtgeschicten gibt es zuhauf, auch im Werk von Shinobu Terajima, die zum Festivalabschluss den Nippon Honour Award als erste Schauspielerin erhält. Gezeigt wird dann um 19.45 Uhr im Mousonturm Daisukes Miuras Melodrama „The City of Betrayal“. Darin geht der arbeitslose Yuichi (Sosuke Ikematsu) mit der deutlich älteren Hausfrau Tomoko (Shinobu Terajima) eine folgenreiche Affäre ein – denn beide sind schon vergeben. Getrieben von einem festgefahrenen und vorhersehbaren Alltag verlieren sich die untreuen Protagonisten in der Flüchtigkeit ihrer Liebesbeziehung auf den Straßen Tokios. In langen Einstellungen präsentiert Miura dem Zuschauer die zunächst zaghafte und schließlich zärtliche Verbindung des ungleichen und sympathischen Paares. Parallel dazu folgt die Handlungen den ahnungslosen, betrogenen Partnern und erinnert daran, dass Yuichis und Tomokos Ausbruch auf Kosten anderer geschieht. Letztlich stellt Miura in seinem Werk die Legitimität der Monogamie und traditioneller Familienwerte in Frage.

          Leichte Kost

          Eine auf den ersten Blick leichtere, doch nicht minder leidenschaftliche Kost liefert hingegen Koki Shigenos Dokumentarfilm „Ramen Heads“, noch einmal zu sehen heute um 14 Uhr im Frankfurter Kino Mal sehn – eine Liebeserklärung an Japans populärste Nudelsuppe. Mit seinem Porträt des renommierten Kochs Tomita zeigt Shigeno, wie tief die Passion für Suppe gehen kann und schafft selbst ein vielschichtiges Kunstwerk. Der schlürfende Verzehr gleicht einem philosophischen Diskurs, für den mancher eine ganze Nacht lang ansteht. So unscheinbar Tomitas Lokal auch von außen anmutet, so farbenfroh und lebendig zeigt Shigeno dessen Innenleben: Während eine verwackelte Handkamera die Hektik der Küchenarbeit einfängt, nimmt sich der Regisseur in ausgewählten Szenen viel Zeit, die Zutaten aus allernächster Nähe in einer Zeitlupe zu zeigen. Jedes Bläschen in der Suppe, jede schmiegsame Bewegung der Nudeln wird eingefangen und auch der zerkochte Schweinekopf bleibt nicht verborgen. Denn auch diese rohen Bilder, so will uns Shigeno vorführen, gehören zum japanischen Traditionsgericht, dessen Köche Kulturträger sind.

          Wie es danach auf den Straßen einer japanischen Großstadt weitergeht, zeigt das Animé „The Night Is Short, Walk on Girl“ von Masaaki Yuasa (heute um 12 Uhr im Mousonturm morgen um 22.30 Uhr im Mal sehn Kino). Basierend auf einer gleichnamigen Novelle von Tomihiko Morimi folgt die Geschichte dem Mädchen mit den schwarzen Haaren (Kana Hanazawa) auf ihrer alkoholträchtigen und schier endlosen Nacht durch die Kneipenszene Kyotos. Auf dem Weg von einer Bar zur nächsten kommt es immer wieder zu absurden Situationen und Begegnungen mit skurrilen Gestalten. Ein wiederkehrender Charakter bleibt der Student Senpai (Gen Hoshino), der vergeblich versucht, dem Mädchen seine Liebe zu gestehen. Im Verlauf des Films lässt Yuasa seine Protagonisten nahtlos zwischen Realität und wahnwitzigen Einbildung hin und her wandeln.

          Der Einblick in die japanische Kultur bei Nippon Connection gestaltet sich also auch dieses Jahr unterhaltsam und prägend. Wenn man dann abends einen der fünf Vorführorte verlässt und die grellen und lebendigen Straßen der Frankfurter Innenstadt betritt, wird man das Gefühl nicht los, das Ganze nun besser zu verstehen.

          Nippon Connection

          Nippon Connection endet am 3.6, einzelne Filme sind auch später als Video on demand verfügbar. Informationen im Internet unter www.nipponconnection.com.

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