Vom Goggomobil zum Glaserati : Mehr Wirtschaftswunder wagen
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Traumwagen: Ein Isar K 700, 30 Pferdestärken und 110 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit Bild: Helmut Fricke
In den 15 Jahren ihres Bestehens hat die Hans Glas GmbH nicht nur das knuffige Goggomobil entwickelt. Eine Ausstellung in Bad Homburg würdigt den Hersteller aus Dingolfing.
Der Lebensstandard steigt, Ratenzahlung erleichtert eine größere Anschaffung, und dann ist da noch „das weibliche Element“, das „beim Kauf eines Motorrades, Rollers oder Mobils vielfach den Ausschlag gibt“. Gute Gründe also, sich anstelle des Zweirads ein gegen Wetterunbill schützendes Gefährt mit Dach zuzulegen. So stand es Anfang 1955 in einer Übersicht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Kleinstfahrzeuge, denn Interessenten konnten aus einem größeren Angebot schöpfen: Kleinschnittger, Fulda-Mobil, Messerschmitt, Pinguin und Kroboth hießen die Mobile. Ein weiteres ist wegen seines skurrilen Namens nachhaltig in Erinnerung geblieben: das Goggomobil.
Die Bezeichnung ist vielen vermutlich geläufiger als der Hersteller, die Hans Glas GmbH Isaria Maschinenfabrik. Den Fahrzeugen aus Dingolfing ist die aktuelle Ausstellung der Central Garage in Bad Homburg gewidmet, eines privaten Automobilmuseums. Dem Titel „Glas Automobile – vom Goggomobil bis zum V 8“ wird die Auswahl der Exponate selbstverständlich gerecht. Zur Verfügung gestellt wurden sie von Leihgebern, die im Glas Automobilclub International organisiert sind.
So beginnt die Reihe mit dem Goggo, einem von der Vespa inspirierten Motorroller. Auf die italienische Wespe war Juniorchef Andreas Glas beim Besuch der Landmaschinenausstellung in Verona aufmerksam geworden. 1951 kam der deutsche Roller auf den Markt. Der Kosename des Enkels von Hans Glas lieferte den Markennamen. Das Zweirad war ein voller Erfolg: 1954 rollte das 25.000. Exemplar vom Band, vermeldete die Zeitung im April. Ein Fünftel der Produktion wurde ins Ausland verkauft. Drei Monate später kündigte Glas ein neuartiges Fahrzeug „für zwei nebeneinander sitzende Erwachsene und zwei Kinder“ an, das Goggomobil heißen sollte.
Spitzengeschwindigkeiten von 85 Kilometern in der Stunde versprach der 14 PS leistende Motor mit 250 Kubikzentimeter Hubraum. Weil er nicht größer war, durfte das Mobil noch mit dem Führerschein Klasse IV gefahren werden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil: Womöglich scheiterten Pläne für einen Kleinwagen des Bad Homburger Motorradherstellers Horex, von dem sich Zeichnungen erhalten haben, nicht zuletzt am zu großen 400-Kubik-Motor und dem erforderlichen Führerschein III. Das knuffige Goggomobil mit seinen runden Scheinwerfern wirkt in seiner Urform wie ein von Kinderhand gezeichnetes Auto, das gut nach Entenhausen passen würde. Donald könnte man sich aber auch im Cabrio TS 300 vorstellen. Das Reizvolle der Ausstellung sind die vielen verschiedenen Varianten, denen man hier begegnen kann. Etwa dem Kleintransporter T 400 von 1961, der auf den Straßen vor allem in Postgelb zum Ausliefern von Paketen unterwegs war. Ein Knaller in Form und Farbe allerdings ist der zweifarbige Dart Roadster aus Australien. Dort hatte sich Bill Buckle mit Karosserien aus Kunststoff beschäftigt. Um die hohen Einfuhrzölle zu umgehen, lieferte Glas das passende Chassis ans andere Ende der Welt, wo Buckle aus der Goggomobil-Basis einen schnittigen, offenen Sportwagen machte. Mit 20 PS! Das reichte dem Dart immerhin für 100 Stundenkilometer.
Beim Goggomobil blieb es nicht. 1958 kam der größere Isar, von dem es später auch eine Kombiversion gab. Sind diese Autos noch von den typischen spätbarocken Rundungen geprägt, kommt das 1961 vorgestellte Coupé Glas S 1004 in schlichteren Formen daher, wie sie später auch Konkurrenten von Opel und Ford zeigten. Was Central-Garage-Eigentümer Dieter Dressel bemerkenswert findet, ist die Innovationskraft der Glas-Ingenieure. Sie entwickelten moderne Motoren mit oben liegender Nockenwelle und Zahnriemenantrieb, viele verschiedene Fahrzeugvarianten und schließlich sogar einen V8-Motor mit 2,6 Litern für ein exklusives Sportcoupé. Der Antrieb entstand nach dem nur scheinbar einfachen Prinzip, zwei Reihenvierzylinder-Motorenblöcke schräg auf ein gemeinsames Kurbelgehäuse zu setzen. Das Ergebnis jedenfalls war ein sensationell preiswertes V8-Coupé, dessen Kleid von dem Turiner Designer Pietro Frua stammte, der auch für Maserati Karosserien entwarf. Weshalb der Achtzylinder aus Dingolfing den Beinamen „Glaserati“ bekam.
Die Handschrift Fruas trägt auch das Sportcoupé Glas GT, das später in fast unveränderter Form von BMW als 1600 GT angeboten wurde – beide stehen in der Central Garage traulich nebeneinander. 1966 wurde die Hans Glas GmbH von den Bayerischen Motorenwerken übernommen. Die große Modellpalette und der Einstieg ins Luxussegment passten bei dem Unternehmen, in dem noch viel Handarbeit geleistet wurde und in dem sich der Seniorchef mit Investitionen in neue Maschinen schwertat, mit der ungünstigen Kostenstruktur nicht mehr zusammen. Erzählt wird in der Central Garage nicht nur die Geschichte der Glas-Autos. In einem eigenen Raum ist der Film „Traumreise zu Dritt“ zu sehen, zu der Marlotte und Peter Backhaus 1957 mit einem Goggomobil aufbrachen.
Die Central Garage in Bad Homburg, Niederstedter Weg 5, ist mittwochs bis sonntags von 12 bis 16.30 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.