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Darmstadt : „Lebenslang“ im Indizienprozess

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Wegen Mordes aus Habgier hat das Landgericht Darmstadt gestern den 44 Jahre alten Graham S. zu lebenslanger Haft verurteilt.

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          Wegen Mordes aus Habgier hat das Landgericht Darmstadt gestern den 44 Jahre alten Graham S. zu lebenslanger Haft verurteilt. Laut Urteilsbegründung hat der Brite am 17. Dezember 2009 den 59 Jahre alten Michael M. in dessen Haus in Fürth-Ellenbach im Odenwald erschlagen. "Der Angeklagte ist der Täter", sagte der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Volker Wagner, und wandte sich auch direkt an S.: "Sie wissen das am besten." So wie "alles passt, das äußere Geschehen, die Tatanlaufzeit und das Tatnachverhalten", komme nur er als Täter in Betracht.

          Das Mordmotiv erschließt sich nach den Feststellungen des Gerichts "ohne den Hauch eines Zweifels aus dem klassischen Drama": auf der einen Seite der immer auf seinen Vorteil bedachte M., der sich wegen einer 30 Jahre jüngeren Freundin in Malaysia von seiner Frau habe trennen wollen, auf der anderen Seite seine Frau Célina M., die unterdessen mit ihren beiden Kindern bei S. in Plymouth lebte. Der Frau sei klar gewesen, dass ihr Mann bei einer Scheidung nie auf ihre finanziellen Forderungen eingehen würde. Wenige Wochen vor der Tat hätten S. und seine Lebensgefährtin erfahren, dass M. nicht nur große - "an der Steuer vorbei" erwirtschaftete - Geldbeträge nach Malaysia transferiert habe; der Geschäftsmann habe in Südostasien auch ohne Wissen seiner Frau ein Kaffeehaus errichtet und eine Stadtvilla anbezahlt.

          Die Kammer folgte mit dem Spruch dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die beiden Verteidiger hatten Freispruch gefordert.

          Der aufwendige Indizienprozess litt von vornherein am Mangel an handfesten Beweisen. Objektiv nachweisbare Spuren hatte der Täter nicht hinterlassen, zudem hatte die Gerichtsmedizin die Frage nach dem Todeszeitpunkt des Geschäftsmanns nur vage beantworten können.

          Nach Überzeugung des Gerichts hat S. am Tattag sein Opfer zwischen 16.31 Uhr und 17.12 Uhr mit Chloroform betäubt und dann mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Die kurz bemessene Zeitspanne erklärte Richter Wagner damit, das M., wie an einem Kassenbon zu erkennen sei, um 16.31 Uhr noch in einer Apotheke gewesen sei. Und weil sich sein iPhone, das der Täter zusammen mit zwei Laptops und 23 000 Euro an sich genommen habe, schon um 17.12 Uhr in einer Funkzelle bei Heppenheim eingeloggt habe, müsse S. sich bereits wieder auf dem Rückweg in Richtung Autobahn befunden haben. Unstreitig habe er dann am Abend noch gegen 23 Uhr von seinem Hotel in Amsterdam aus mit seiner Verlobten in England gesprochen.

          Dass etliche Zeugen M. noch nach 19 Uhr lebend gesehen haben wollen, könne die Täterschaft des Angeklagten nicht erschüttern, sagte der Richter. "Es kommt nur der Angeklagte als Täter in Betracht."

          Die Verteidigung wird das Urteil nach den Worten von Rechtsanwalt Hartmut Wächtler "ganz sicher" mit dem Rechtsmittel der Revision anfechten. Die Urteilsbegründung habe ihn nicht überzeugt, sagte der Anwalt: "Viel Spekulation und nichts Handfestes."

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