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Dalai Lama in Darmstadt : Der Mönch lobt den Staatenbund

Widerspricht den Europa-Kritikern: Dalai Lama zu Besuch in Darmstadt. Bild: Wolfgang Eilmes

In Darmstadt diskutiert das geistige Oberhaupt der Tibeter mit zwei Friedensnobelpreisträgern über eine friedlichere Weltordnung. Für den Dalai Lama gibt es nur einen Weg.

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          Der Gast aus Asien greift die Erfahrung der Gastgeber auf: Die Menschen in Europa hätte die Erfahrung mit zwei Weltkriegen gemacht und seien dadurch reifer geworden, sagte der Dalai Lama gestern in Darmstadt, bei seinem ersten Besuch in der Stadt. Deshalb habe die Europäische Union entstehen können und Kriege innerhalb Europa seien nicht mehr vorstellbar. Eine solche Gemeinschaft von Staaten wünscht das geistliche Oberhaupt der Tibeter sich auch für Asien, etwa für China, Indien und Japan. Denn in der Europäischen Union sieht der buddhistische Mönch das verwirklicht, was er sein Leben lang predigt: Gewaltlosigkeit. Die Europäer hätten sich ein Instrument geschaffen, um Konflikte ohne die Gefahr eines Krieges zu lösen.

          Diskussion mit Friedensnobelpreisträgern

          Jan Schiefenhövel
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Die Gewaltlosigkeit, das große Ziel des Dalai Lama, war das Thema eines Symposions gestern in Darmstadt, ausgerichtet von der in Berlin ansässigen Tibet-Initiative Deutschland, die das Ringen der Tibeter um Selbstbestimmung unterstützt. Doch auch Indien sieht der Mönch als Vorbild für Gewaltlosigkeit, die dort auf eine Tradition seit Jahrtausenden zurückgehe. Deshalb gebe es unter den Muslimen in Indien auch keine Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten wie in arabischen Ländern.

          Der Dalai Lama (l.) umarmt den Friedensnobelpreisträger Lech Walesa im Vorfeld des Symposiums in Darmstadt.
          Der Dalai Lama (l.) umarmt den Friedensnobelpreisträger Lech Walesa im Vorfeld des Symposiums in Darmstadt. : Bild: dpa

          Im Kongresszentrum Darmstadtium traf der 83 Jahre alte Gast aus Asien, Friedensnobelpreisträger des Jahres 1989, auf zwei weitere Friedennobelpreisträger, den ehemaligen Gewerkschaftsführer und späteren Staatspräsidenten Lech Walesa aus Polen und Rebecca Johnson, einer Aktivistin gegen Atomwaffen aus England. Sie alle eint, dass sie sich gewaltlos für ihre Ziele eingesetzt haben: der Dalai Lama für die Rechte der Tibeter in ihrem Land, das von China im Jahr 1950 besetzt wurde; der Anführer der unabhängigen Gewerkschaft Solidarität in Polen für die Rechte der Arbeiter gegenüber den Kommunisten und die englische Aktivistin gegen die Rüstung. Sie hebt hervor, dass gewaltlos nicht gleich gleichbedeutend ist mit passiv.

          Ihre Erzählungen bei dem Symposion klingen wie Heldengeschichten, die sie mit Stolz in der Stimme und ein wenig selbstgerecht erzählt, etwa wie sie mit Mitstreiterinnen in Militärstützpunkte eingedrungen sei und auf den Dächer der Waffendepots gesungen und getanzt habe. Ebenfalls voller Stolz weist Johnson darauf hin, dass sie es in Kauf genommen habe, dafür ins Gefängnis zu kommen. Der Kampf ist aber nach ihren Vorstellungen noch lange nicht vorüber, weil es immer noch in einigen Staaten der Welt Atomwaffen gebe. Diese seien nur aus Dummheit erfunden worden.

          Der Dalai Lama bei seiner Ankunft in Darmstadt am Mittwoch.
          Der Dalai Lama bei seiner Ankunft in Darmstadt am Mittwoch. : Bild: dpa

          Auch Walesa beschäftigt sich nicht nur mit der Vergangenheit. Den Kommunismus lehnt er ab, wie er sagt, aber auch den Kapitalismus von heute, weil es ungerecht sei, dass ein Zehntel der Weltbevölkerung mehr besitze als die rechtlichen 90 Prozent der Menschen. Mit dem, was in seinem Heimatland vorgeht, ist der frühere Staatsmann nicht glücklich. Es gebe „komische Wahlen“, bei denen Populisten an die Macht kämen, ähnlich wie Donald Trump in den Vereinigten Staaten. Und die Populisten, „die mache unseren Sieg kaputt“, sagt Walesa. Als vierter Diskussionsteilnehmer sitzt die Grünen-Politikerin Claudia Roth mit auf der Bühne, die das Ringen der Tibeter um Eigenständigkeit seit Jahrzehnten unterstützt. Was sie sagt, hört sich wie eine Wahlkampfrede an, etwa wenn sie von „globaler Verantwortung“ spricht, die auch China abverlangt werden müsse. Dafür gibt es vom Darmstädter Publikum Applaus.

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