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Bombe im Ostend : Verzögerte Räumung, schnelle Entschärfung

Kann weg: Sprengmeister René Brennert am Sonntagnachmittag nach getaner Arbeit an der 500-Kilo-Bombe. Bild: Helmut Fricke

Die zweitgrößte Evakuierung Frankfurts Nachkriegsgeschichte hat am Sonntagmorgen stattgefunden. Beinahe entspannt verlief die Bombenentschärfung.

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          Um 15.40 Uhr kommt die Nachricht, auf die Tausende gewartet haben: „Weltkriegsbombe ist entschärft. Ihr dürft zurück“, twittert die Polizei. Am Ende ist alles viel schneller gegangen als gedacht, dabei lief es zwischendurch zäher als geplant. Die Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes sind auf der Baustelle nahe der Europäischen Zentralbank auf weniger Schwierigkeiten gestoßen, als sie zunächst befürchtet hatten. Erleichterung macht sich breit im Gesellschaftshaus des Frankfurter Zoos.

          Helmut Schwan
          Freier Autor in der Rhein-Main-Zeitung.

          Der klassizistische Bau ist an diesem Sonntag Einsatzzentrale und zugleich Hort für alle gewesen, die aus ihren Wohnungen mussten, aber nicht wussten, wohin. Etwa 200 sind im Laufe des Tages gekommen. Das waren noch deutlich weniger, als die bis zu 400, die man ohnehin nur erwartet hatte. Das lag vor allem daran, dass sich Bürger ebenso wie Einsatzkräfte und Helfer eineinhalb Wochen hatten vorbereiten können. Zwar dauerte die Räumung länger als kalkuliert, es kam aber zu deutlich weniger Störungen als im September 2017 nach dem Fund einer Weltkriegsbombe im Westend; damals mussten mehr als 60000 Menschen ihre Quartiere räumen.

          Lob von Feuerwehr und Polizei

          Die zweitgrößte Evakuierung in Frankfurts Nachkriegsgeschichte war am Sonntagmorgen insgesamt wohlgeordnet und beinahe entspannt angelaufen. Der Großteil der mehr als 16000 Anwohner, Hotelgäste oder Bewohner von Alten- und Pflegeheimen in der Sperrzone, die sich über den südlichen Teil des Ostends und sogar über den Main in die Randzonen von Sachsenhausen und Oberrad erstreckte, hatte sich schon ganz früh oder am Vortag auf den Weg gemacht. Auch hatten sich viele Anwohner und Reisende offenbar ganz gut damit arrangiert, dass die Bombe zum Teil erheblich den Verkehr auf Straße, Schiene, in der Luft und zu Wasser beeinträchtigen würde. Schiffe mussten stoppen, Fernzüge und S-Bahnen verkehrten nicht oder wurden umgeleitet. Am Frankfurter Flughafen wurde vorübergehend sogar eine Landebahn gesperrt – für das schlimmste Szenario, dass die Bombe explodiere.

          Feuerwehr und Polizei lobten am Abend die Disziplin der Anwohner und deren Bereitschaft zu kooperieren. Mehrere Hundert Beamte von Landes- und Stadtpolizei hatten am Morgen von 8Uhr an kontrolliert, ob auch tatsächlich alle im Radius von tausend Metern, gerechnet vom Fundort der Bombe, ihre Wohnungen verlassen hatten. Sie waren von Haus zu Haus gegangen und hatten geklingelt und, falls sie noch jemanden antrafen, diesem klar gemacht, dass es nun höchste Zeit zum Aufbruch sei.

          Um kurz nach 12 Uhr, beinahe wie im Plan vorgesehen, meldete die Polizei etwas verfrüht optimistisch, es könne bald mit der Entschärfung begonnen werden. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise mehr auf Personen, die sich noch in der Sperrzone aufhielten. Auch die Besatzung des Helikopters, die mittels einer Wärmebildkamera nach Saumseligen oder jenen Ausschau hielten, die sich vielleicht einen Spaß daraus machen wollten, einmal an einem Sonntagmittag allein im Hafenpark, ganz nahe an der Bombe, zu sein, hatte den Daumen gehoben. Als aber die Polizei, bei der auch diesmal die Devise Sicherheit zuerst galt, später allerletzte Kontrollfahrten durch die Sperrzone machte, griff sie noch zwei Personen auf.

          Mehr Zeit als angenommen benötigte es auch, jene, die aufgrund von Alter oder Krankheit nicht alleine ihre Wohnung verlassen konnten, in ein Ausweichquartier zu bringen. Am Ende waren es an die 300, einige hatten sich noch am Sonntagmorgen über das Bürgertelefon gemeldet und um Hilfe gebeten. Um sie und alle, die sich im Zoogesellschaftshaus einfanden, weil sie für diesen Tag keine andere Bleibe gefunden oder trotz freien Eintritts keine Lust auf Museum oder Palmengarten hatten, kümmerten sich mehr als 700, meist ehrenamtlichen Helfer von Feuerwehren und anderen Hilfsorganisationen. Sie waren gestern noch bis in die Abendstunden damit beschäftigt, die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen zurück in ihre vertrauten Quartiere zu bringen.

          Keine Routine in diesem Beruf

          Das Signal an den Kampfmittelräumdienst, dass er mit der Arbeit direkt an der Bombe beginnen können, konnte daher erst um Viertel vor zwei, fast zwei Stunden später als erhofft, gegeben werden. Sprengmeister René Bennert und sein Kollege wussten da allerdings schon, dass ihre Mission sich voraussichtlich einfacher und schneller als gedacht gestalten würde. Die beiden Zünder an der 500-Kilo-Bombe erwiesen sich, freigelegt in dem Erdloch, als nicht so verbeult und verrostet, wie man befürchtet hatte. Um sie herauszulösen, reichte die herkömmliche Methode aus. Das wesentlich zeitaufwendigere Verfahren, die Zünder per Wasserstrahl herauszuschneiden, war entbehrlich.

          Fachleute im Zoogesellschaftshaus erkannten an zwei kurzen Knällen, dass die erprobten Raketenklemmen zum Einsatz gekommen waren. Nichts als Routine also? René Bennert, aufgrund spektakulärer Einsätze in den vergangenen Jahren in Frankfurt ein bekannter Mann, sagte hinterher, wieder sehr entspannt, Routine, das sei in seinem Beruf gefährlich.

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