Blockupy in Frankfurt : Mit dem Sonderzug zum Gegner
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Gut vorbereitet geht es nach Frankfurt. Die Demonstranten haben im Vorfeld die Nummern der Blockupy-Anwälte und Sanitäter von den Organisatoren bekommen. Bild: Jens Gyarmaty
Die Organisation der Blockupy-Proteste nötigt Respekt ab: Es gibt Anwälte für den Fall einer Verhaftung, eine Blockupy-Seelsorge-Hotline für emotionale Notfälle, einen Sonderzug und vieles mehr. Das Bündnis drillt seine Anhänger auch für Gewalt und Widerstand.
Die Revolution verzögert sich. Der Blockupy-Sonderzug von Berlin nach Frankfurt hat Verspätung, weil am Berliner S-Bahnhof Friedrichstraße ein verwirrter, halbnackter Mann auf dem Dach herumläuft. Also stehen am Berliner Ostbahnhof am Dienstagnachmittag Hunderte Blockupy-Aktivisten vor der Bahnhofshalle und warten. „Darf ick mal durch“, ruft eine Frau, die sich durch ein Gewühl von Rucksäcken, Isomatten und Schlafsäcken kämpft. In Kleingruppen stehen die Aktivisten zusammen, trinken Mate-Tee, rauchen selbstgedrehte Zigaretten. „Hier fahren Busse und Taxis, passt auf, dass eure Füße nicht platt sind“, schallt es aus einem Megafon. Zwei vielleicht gerade 20 Jahre alte Aktivisten hüpfen als Känguru verkleidet durch die Menge und verteilen „Kostenlose Schnapspralinen“ – ein Hinweis auf das hier sehr beliebte Buch „Die Känguru-Offenbarung“ des deutschen Liedermachers und Autors Marc-Uwe Kling.
„Habt ihr Schulferien“, fragt ein älterer Herr mit Schirmmütze und Regenjacke. Kopfschüttelnd läuft er weiter, nachdem ihm erklärt wurde, welches Reiseziel die bunte Truppe vor dem Ostbahnhof im Sinn hat – die Blockade der Eröffnungsfeier der Europäischen Zentralbank in Frankfurt an diesem Mittwoch.
Auf den ersten Blick wirkt diese Ansammlung von jungen Menschen wie eine Gruppe auf Klassenfahrt. Der Blockupy-Sonderzug soll in Hannover und Göttingen weitere Aktivisten aufnehmen, bevor er um Mitternacht am Frankfurter Südbahnhof ankommen soll – wo er schon von Polizisten erwartet wird. Was dort geschehen könnte, wollen manche der Aktivisten mit schwarzer Kleidung und Sonnenbrille nicht sagen. „Selbst wenn wir die übelsten Organisatoren wären, die genau wissen, mit welchen Blockadeaktionen wir die Polizei austricksen wollen, würden wir es der Zeitung sicher nicht sagen“, sagt ein junger Mann. Er und viele seiner Mitfahrer waren schon öfter in Frankfurt. 2013 wurden sie bei einem Blockupy-Protest von der Polizei eingekesselt. Das soll ihnen nicht noch einmal passieren.
„Wir müssen die Aktionen der Polizei antizipieren“, sagt einer, der nur hier ist, um Flyer zu verteilen. Er fährt um acht Uhr mit einem der drei Busse in Richtung Frankfurt, die zusätzlich gemietet wurden, weil der Zug so schnell ausgebucht war. Vermutlich werden sie wieder angehalten und durchsucht werden, wie in den vergangenen Jahren auch. Doch auch darauf sind sie vorbereitet. So zusammengewürfelt die Gruppe auf den ersten Blick wirkt, so gut kennt jeder der Aktivisten seine Rolle.
Ein straffes Regiment
Dass Linksradikale einen Sonderzug mieten, um Demonstranten aus Norddeutschland nach Frankfurt zu holen, ist nur ein Indiz für die Professionalität der Bewegung. Blockupy ist, was das Niveau der Organisation anbelangt, der Konzern unter den Aktionsbündnissen. Die Aktivisten führen ein straffes Regiment, das nicht die Ideologie, aber alle Kleinigkeiten des Alltags regelt. Wie die Inhalte seiner unzähligen Unterstützerkreise absorbiert Blockupy auch die über Jahrzehnte gewachsene Erfahrung linker Gruppen mit Großdemonstrationen. Das Ergebnis ist eine Veranstaltung, deren Logistik an Rundum-Sorglos-Pakete aus der Tourismusbranche erinnert.