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Blitzschutz : Was macht der Kranführer, wenn das Unwetter kommt?

Wolkenkratzer sind eigentlich immer sicher. Bild: dpa

In diesen Tagen blitzt und donnert es besonders oft. Experten raten, sich bei Gewitter ins Auto zu setzen, auch vor Hochhäusern steht man sicher. Selbst fürs Public Viewing haben sie Tipps.

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          Vor fast zwanzig Jahren war der Wettergott schon einmal besonders zornig auf Frankfurt. Im November 1997 schoss ein Blitz in die Kreuzblume an der Spitze des Domturms. Ein faustgroßes Stück des Kunstwerks aus Sandstein stürzte 95 Meter herab und zerbeulte das Dach des Küsterhäuschens, verletzte aber niemanden. Auch in den vergangenen gewittrigen Tagen hat der Domturm wieder einen Blitz angezogen. Der Einschlag lief diesmal vergleichsweise glimpflich ab: Die Hochspannung fuhr in die Elektrik und zerstörte nur die Beleuchtung der Fluchtwege.

          Rainer Schulze
          Redakteur in der Rhein-Main-Zeitung.

          Wenn in diesen Tagen wieder die Blitze über Frankfurt zucken, kann man sich in den Bauwerken der Stadt ziemlich sicher fühlen. Fast alle städtischen Gebäude sind gegen Blitzeinschläge geschützt: Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude, das Rathaus Römer und auch der Domturm.

          20 bis 30 Prozent der Wohnhäuser haben Blitzableiter

          Welche Gebäude einen Blitzableiter brauchen, regeln die Landesbauordnungen. Sie sind sich beim Blitzschutz ziemlich ähnlich. In der Regel sind Gebäude zu schützen, die ihre Umgebung deutlich überragen, also Hochhäuser, Kirchen und Fernsehtürme. Auch Gebäude mit besonderer Explosionsgefahr wie Tankstellen und Chemieanlagen müssen gegen Blitze gesichert werden. Gleiches gilt für Häuser, aus denen Menschen nicht ohne weiteres fliehen können, zum Beispiel Krankenhäuser, Seniorenheime, Schulen und Kindergärten. Außerdem ist für Häuser mit besonderer Brandgefahr - beispielsweise mit Dächern aus Holz oder Reet - ein Blitzableiter nötig. Eine gesetzliche Verpflichtung, auch Wohnhäuser gegen Blitzeinschlag zu schützen, gibt es nicht.

          Thomas Raphael schätzt, dass nur 20 bis 30 Prozent aller Wohnhäuser einen Blitzableiter haben. Er leitet den Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung im Verband der Elektrotechnik und hat in diesen Tagen besonders viel zu tun. Der Ausschuss wertet Blitzunfälle aus, und die haben gerade Saison. Statistisch kommen jährlich fünf Menschen durch Blitzeinschläge zu Tode, hundert werden verletzt und weitere hundert sind von Schäden betroffen. „Diese Zahlen haben wir in diesem Jahr schon innerhalb von zehn Tagen erreicht“, sagt Raphael.

          Der Kranfahrer kann sich sicher fühlen

          Am sichersten steht man in Frankfurt bei einem Gewitter vor einem Hochhaus. „Das ist der bestmögliche Schutz überhaupt“, sagt Volker Hinrichsen. Der Elektrotechnik-Professor erforscht im Hochspannungslabor der TU Darmstadt die Wirkung von Starkstrom. Die modernen Hochhäuser haben eine Blitzfangstange auf dem Dach, der Strom wird mit einem professionellen Erdungssystem in den Boden abgeleitet. „Die neuen Frankfurter Bürotürme sind nach allen Regeln der Kunst gebaut. Da besteht keinerlei Gefahr“, meint Hinrichsen. Weil sie relativ dicht stehen, hat der Blitz im Bankenviertel auch kaum eine Chance, die Straße zu treffen. Aber eine hundertprozentige Sicherheit gebe es bei Gewittern nie, sagt Hinrichsen. Blitzforscher Raphael berichtet von einem Fall aus Süddeutschland: Ein Blitz schlug dort in einen Baum ein, der nur zehn Meter von einem Fernsehturm entfernt stand.

          Knall-Effekt: Am Himmel gibt es in diesen Tagen besonders oft Blitze zu sehen
          Knall-Effekt: Am Himmel gibt es in diesen Tagen besonders oft Blitze zu sehen : Bild: dpa

          Blitze, die von der Wolke zur Erde fahren, entwickeln sich ruckweise. Erst kurz vor dem Boden entscheidet sich, wo sie sich entladen. Dabei spielt die sogenannte Fangentladung eine Rolle, die ihnen von Bäumen, Masten oder Hochhäusern entgegenschlägt. Generell gilt: Je höher ein Gebäude oder ein Gegenstand ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blitz einschlägt. Ein Kranfahrer auf einer Baustelle kann sich bei einem Gewitter dennoch sicher fühlen: Seine Gondel ist ein Faradayscher Käfig. „Die Wahrscheinlichkeit, dass er ums Leben kommt, ist sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass er einen Schock fürs Leben bekommt, ist aber sehr groß“, sagt Hinrichsen. Denn ein Blitz aus nächster Nähe ist nicht nur gleißend hell. Er löst auch eine starke Schall- und Druckwelle aus. „Das Erlebnis wünsche ich niemandem“, sagt Hinrichsen.

          „Bei Gewitter Public Viewing lieber unterbrechen“

          Traditionell ist im Juni und Juli Gewittersaison. Der Darmstädter Blitz-Forscher meint, dass die Wetterphänomene in diesem Jahr noch im üblichen Rahmen liegen. „Aber es passiert heute mehr als früher, denn wir tendieren immer häufiger dazu, große Menschenmengen zu versammeln.“ Ob beim Musikfestival „Rock am Ring“, wo vor zwei Wochen mehrere Menschen durch einen Blitzeinschlag verletzt wurden, oder in Sportstadien beim gemeinsamen Fußballschauen - die Gefahr, dass ein Mensch von einem Blitz getroffen wird, wächst mit der Anzahl der Versammelten. „Gewitter und Riesenmenschenmengen vertragen sich überhaupt nicht“, meint Hinrichsen. Er rät Veranstaltern, die Übertragung von EM-Spielen zu unterbrechen, sobald ein Gewitter aufzieht. „Je mehr ich mich mit Gewitterphänomenen beschäftige, umso vorsichtiger werde ich. Ich würde mir bei Gewitter kein Fußballspiel unter freiem Himmel anschauen.“ Der sicherste Ort sei dann ein stehendes Auto.

          Aber auch in Gebäuden ist man gut geschützt. Fehlt ein Blitzableiter, können durch die Überspannung allerdings die Geräte kaputtgehen. Zieht ein Gewitter auf, sollte man nicht nur den Stromstecker ziehen, sondern alle metallischen Verbindungen trennen, also auch Antennen- und Telefonkabel, rät Blitzforscher Raphael. Ein Überspannungsschutz an der zentralen Stromleitung bewahrt vor Schäden und ist mit 250 bis 400 Euro vergleichsweise günstig. Ein Blitzableiter kostet bei einem Neubau etwa 2500 Euro, die Nachrüstung ist kostspieliger. Dass ein Blitz ein Haus in Brand setzt, ist selten. Raphael berichtet von nur 180 bis 200 Fällen im Jahr - bei mehreren Millionen Blitzeinschlägen.

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