Blindenhunde : Leberwurst an der Bordsteinkante
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Vertrautes Gespann: Noch ist der Labradoodle Buddy bei Tiamat Warda in der Führhundausbildung, im April kommt er zu seiner neuen Besitzerin nach Kriftel. Bild: Lehnen, Etienne
Blindenhunde führen ihre Besitzer sicher durch den Alltag. Ausbilderin Tiamat Warda bringt den Tieren bei, was sie können müssen - und geht damit ein finanzielles Risiko ein.
„Such Bank!“ Tiamat Wardas Befehl klingt freundlich, aber bestimmt. Hund Buddy blickt umher und führt Warda über die Wiese. An der nächsten Sitzgelegenheit macht Buddy Platz und schaut hoch zu Warda. Der apricotfarbene Hund weiß, was jetzt kommt. Die junge Frau greift in ihre Tasche und hält ihm ein paar Leckerli hin. „Positive Verstärkung“, nennt Warda das. Rasch leckt Buddy die kleinen Kekse von der Hand.
Seit vier Jahren bildet Tiamat Warda Blindenführhunde in Frankfurt und Umgebung aus. Mehr als 20 Tiere hat sie seitdem an Blinde übergeben. Der Labradoodle Buddy, eine Mischung aus Pudel und Labrador, wird der Nächste sein. Schon als kleines Kind hat Warda angefangen, Hunde und Pferde zu trainieren. Die 22 Jahre alte Frau mit dem langen geflochtenen Zopf wuchs in Kalifornien auf einer Farm auf, die Mutter ist Deutsche, der Vater stammt aus Iran. Deutsch spricht Warda nahezu perfekt, nur ihr amerikanischer Akzent verrät ihre Herkunft. Nach dem Highschool-Abschluss beschloss Warda, professionelle Trainerin für Blindenhunde zu werden. Deshalb kam sie mit 18 Jahren nach Frankfurt. „Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen die Krankenkasse die Kosten für Blindenhunde übernimmt“, sagt Warda. Für Menschen mit einem Seh-Rest von weniger als fünf Prozent gelten Blindenführhunde als Hilfsmittel, ähnlich wie ein Rollstuhl für Gehbehinderte. Deshalb kommt die Krankenkasse nicht nur für die Kosten der Ausbildung, sondern auch für Futter und Tierarzt auf.
Die Hunde kommen mit in den Urlaub
Wie Hunde trainiert werden, wusste Warda schon aus Kalifornien. Wie sie mit Blinden zusammenarbeitet, hat sie in einer Führhundschule in Bayern gelernt. Prinzipiell kann jeder in Deutschland eine Blindenführhundschule eröffnen. Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt, eine einheitliche Ausbildung gibt es nicht.
Bis zu drei Hunde hat Warda gleichzeitig in der Ausbildung. Die Hunde leben mit ihr in der Wohnung, auch in den Urlaub fährt sie nicht ohne die Tiere. „Es macht Spaß, immer junge Hunde um sich herum zu haben“, sagt Warda. Ist der Hund ein Jahr alt, beginnt das Training. Das wichtigste Ausbildungsutensil ist das Führgeschirr. Es wird dem Hund über den Kopf gestreift und um die Brust gelegt. Es endet mit einem Führbügel.
Sobald der Hund das Geschirr trägt, weiß er, dass er arbeiten muss. Die Ausbildung funktioniert vor allem über Konditionierung: Führt der Hund Wardas Befehle richtig aus, wird er mit Leckerli und Streicheln belohnt. „Für Leberwurst machen Hunde fast alles“, sagt Warda. Nur Buddy ist ein Sonderfall: Er liebt Karotten. „Die kann ich aber nicht immer nehmen. Wenn der Hund zu motiviert ist, kann er nicht mehr denken.“ Irgendwann hat der Hund die Abläufe so sehr verinnerlicht, dass eine Belohnung nicht mehr nötig ist.
Wie ein Hund wissen kann, ob eine Ampel Rot oder Grün zeigt? „Er weiß es nicht. Hunde sind farbenblind“, sagt Warda. Auch ein gutausgebildeter Hund habe bloß das Verkehrsverständnis eines kleinen Kinds. „Er kann zum Beispiel Geschwindigkeiten nur schlecht einschätzen.“ Der Hund kann den Blinden zwar an den Bordstein führen und durchs Stoppen deutlich machen, dass nun die Straße beginnt. Ob der Blinde dann aber die Straße überquert, bleibt seine Entscheidung. Beide, Hund und Führer, müssen zusammenarbeiten.