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Frankfurt und die NS-Zeit : Von Tätern und Profiteuren

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Antisemitische Gewalt: Zerstörte jüdische Ladenfront 1938. Bild: dpa

Nach dem Ende der Hitler-Diktatur wollten viele Bürger von der Nazizeit nichts mehr wissen. Nun geht das Historische Museum der Frage nach, wie die Stadt und ihre Bevölkerung sich am System beteiligt haben.

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          Auch in Frankfurt wurde nach dem Krieg die NS-Zeit verdrängt und beschwiegen. Doch im Lauf der Jahre hat sich die Mainmetropole durchaus engagiert ihrer braunen Geschichte gestellt, vermutlich intensiver als die meisten anderen deutschen Großstädte. Nur eines hat Frankfurt bis heute nicht zuwege gebracht, nämlich eine große historische Ausstellung über die Stadt in der Zeit des Nationalsozialismus.

          Jan Gerchow, Direktor des Historischen Museums, findet das zu Recht „erstaunlich“. Doch er und sein Haus sind dabei, dieses Versäumnis zu beheben. Das Historische Museum plant für nächstes Jahr, da sich das Ende der Nazi-Herrschaft zum 75. Mal jährt, eine große Ausstellung zum Thema „Frankfurt und der Nationalsozialismus“.

          Die Vorbereitungen dafür haben schon begonnen. Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) hat im Museum kürzlich eine Tagung eröffnet, auf der Wissenschaftler wie Sybille Steinbacher, die Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts, Fritz Backhaus, der frühere Vizedirektor des hiesigen Jüdischen Museums und heute Leiter der Sammlungen des Deutschen Historischen Museums in Berlin, und Jan Erik Schulte, der die Gedenkstätte Hadamar leitet, Anregungen gaben, wie eine solche Ausstellung zu gestalten sei.

          Aufarbeitung der Frankfurter NS-Geschichte

          Die Konferenz, auf der viele Initiativen ihre Arbeit zur Frankfurter NS-Geschichte auf Postern präsentierten, war gut besucht. Während in der Frankfurter Geschichtspolitik das Schicksal der Opfer und hier vor allem der Juden im Vordergrund stand, soll es laut Gerchow in der geplanten Ausstellung in erster Linie um die Täter gehen. Wer beteiligte sich am System? Wer profitierte von ihm? Solchen Fragen werde die Schau nachgehen. Denn in dieser Hinsicht existiert nach Meinung des Museumsdirektors noch die größte Leerstelle. Das offizielle Erinnern an die NS-Verbrechen hat, wie die Kulturdezernentin darlegte, unmittelbar nach der Befreiung begonnen. So seien bald nach 1945 an den drei zerstörten Synagogen Gedenktafeln angebracht worden. Doch obsiegt hat Hartwig zufolge die „Unfähigkeit zu trauern“, wie dies Margarete und Alexander Mitscherlich 1967 in ihrem gleichnamigen Buch dargelegt haben.

          Allerdings habe sich die Erinnerungskultur im Lauf der Jahre differenziert. Hartwig nannte als herausragende Beispiele das Internetportal NS-Zeit des Instituts für Stadtgeschichte (www.frankfurt1933-1945.de), die Initiative 9. November, die aus dem Bunker an der Friedberger Anlage einen Erinnerungsort gemacht hat, und die Gedenkstätte Neuer Börneplatz. Auch bei der Einrichtung eines Ortes der Erinnerung an das KZ Katzbach in den Adlerwerken im Gallus tue sich etwas. „Die Frankfurter Erinnerungskultur ruht heute auf vielen Schultern“, sagte Hartwig. Doch sei weiterhin viel historische Forschung nötig.

          Nationalsozialismus schon vor 1933

          Der Historiker Habbo Knoch von der Universität Köln schlug vor, sich nicht auf die Zeitspanne von 1933 bis 1945 zu fixieren, denn der Nationalsozialismus habe vor Hitlers Machtübernahme begonnen und sei mit der Kapitulation 1945 nicht an sein Ende gekommen, sondern habe bis in die sechziger oder gar achtziger Jahre seine Wirkung gezeigt. Ferner regte Knoch an, über die feste Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums nachzudenken, wie Köln dies im einstigen Gestapo-Gefängnis getan habe.

          Freilich hat Frankfurt unter anderem mit dem Fritz-Bauer-Institut, dem Jüdischen Museum, der Bildungsstätte Anne Frank und der jüngst eröffneten Gedenkstätte in der Großmarkthalle namhafte Einrichtungen, die kontinuierlich Erinnerungsarbeit betreiben. Ob die Stadt darüber hinaus einen Täter-Ort wie etwa das Gestapo-Hauptquartier an der Lindenstraße im Westend als NS-Dokumentationszentrum einrichten sollte, erscheint deshalb zweifelhaft. Zumal am IG-Farben-Haus auf dem Campus Westend an die Verfehlungen der Wirtschaft, die bekanntermaßen in großem Stil vom NS-System profitiert hat, erinnert wird. In ihm wird zudem zum „Dritten Reich“ geforscht.

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