„Aufreißer-Seminare“ : Vom Umgang mit Frauen
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Er sagt, er kriegt jede rum: Marko Polo und Laura posieren für das Buch des Pickup-Artisten. Bild: Dragan Radulovic
Im Februar hatte sich die Stadt gegen „Aufreißer-Seminare“ gewehrt. Nun übt „Pickup-Artist“ Marko Polo mit Männern die Anmache. Er sagt, es gehe um Liebe.
Laura hat schon drei Männer abblitzen lassen, bevor Marko es versucht. Im Tanzhaus West geht er auf sie zu und sagt: „Du erinnerst mich an meine Ex-Freundin.“ „Ein dummer Anmachspruch“, wird Laura später sagen, und Marko wird es seinen „schlechtesten Opener ever“ nennen. Dabei kann er das eigentlich: die perfekte Situation herstellen, eine Frau anzusprechen. Er ist Profi darin. Als Marko Polo gibt er sogenannte Pickup-Kurse, lehrt also Männer den Umgang mit Frauen. Der Moment, in dem er Laura kennengelernt hat, könnte den Beweis geliefert haben, dass solche Kurse nichts bringen, und er selbst sieht das eigentlich auch so. „Bei der Richtigen funktioniert Pickup nicht, denn dann ist man verliebt“, sagt er. Aber weil es Pickup gebe, weil er sich schon seit elf Jahren darin übe, Frauen anzusprechen und so weiter, habe er sich bei Laura überhaupt getraut. Und immerhin, Laura sitzt jetzt neben ihm.
Die Branche von Marko Polo hatte noch nie den besten Ruf, und Ende 2014 wurde er so richtig schlecht. Julien Blanc, Amerikaner und Kollege von Marko Polo, hatte Videos ins Netz gestellt, in denen er erklärte, es sei ein guter Opener, Frauen zu würgen, sich ihre Köpfe in den Schritt zu drücken. Weltweit gab es Proteste, Blanc durfte nicht nach Australien, nicht nach Großbritannien und nicht nach Singapur einreisen. Als er in Frankfurt ein Seminar geben wollte, forderten die Stadtverordneten, ihm keine Räume zu vermieten. In den Kursen werde in „menschenverachtender und zutiefst frauenfeindlicher Weise der Einsatz von sexueller Gewalt propagiert“, hieß es in dem Antrag dazu. Marko Polo sagt, die Szene in Frankfurt habe nach dem Skandal um Julien Blanc weitergemacht, wie davor. „Wir haben nichts falsch gemacht.“
Mit Hypnose und Konditionierung
Das müsse jetzt erklärt werden, findet Marko Polo, sonst komme das hinterher wieder falsch an. Bei Pickup gehe es nicht um Manipulation, nicht darum, Frauen die große Liebe vorzuspielen ohne es so zu meinen, schon gar nicht gehe es um Gewalt. Ein Einzelner dürfe nicht die ganze Szene diffamieren. „Ich bin jemand, der Liebe spreaded“, sagt Marko Polo, und es klingt gut, wie er das so in die Frühlingssonne sinniert. Seine Erklärvideos hinterlassen einen anderen Eindruck. Dort ist zum Beispiel Sex das ultimative Ziel jedes Dates. „Warum auch nicht?“, fragt er, und ja: Warum auch nicht? Dann erklärt Marko Polo ein Stück Pickup-Theorie: „Die Frau schüttet beim Orgasmus Bindungshormone aus.“ Das sei gut, wenn man, so wie er es lehrt, „auf eine Beziehung gamed“, also auf etwas Ernstes hinarbeitet.
Ist das Manipulation? Marko Polo benutzt Hypnose, neurolinguistische Programmierung, klassische Konditionierung und sagt: „Nein, es ist Verführung.“ Manipulation bringe immer Nachteile, Pickup dagegen Vorteile für beide Seiten. Wenn es um seine Moral geht, nennt Marko Polo seine Regel: „Hinterlasse die Frau besser, als du sie vorgefunden hast.“ Er weiß, dass der Spruch nicht immer gut ankommt. „Dabei heißt es doch nur, dass man niemandem schadet und sich danach noch in die Augen schauen kann.“
Seminarplatz kostet 499 Euro
127.000 Männer sind im deutschen Pickup-Forum angemeldet, 5500 Frauen sind es beim weiblichen Pendant. In den Foren geht es um gelungene und weniger gelungene Clubabende, darum, wie Frauen, hauptsächlich, ticken. Manchmal liest sich das wie Gesprächsprotokolle aus Umkleidekabinen der B-Jugend, schon wegen der Sprache, die die Pickuper erfunden haben. Frauen heißen „HB“, „Hot Babes“, und ihr Aussehen wird mit Zahlen bewertet. „LMR“ ist die Abkürzung für „Last Minute Resistance“, den letzten Widerstand vor dem Sex. Es gibt aber auch den „Jerk“, einer, „der sich an Frauen ranschmeißt, mit dem einzigen Ziel sie flachzulegen“, und dabei „in keinster Weise auf die Gefühle der Frau“ achtet.
Marko Polo sagt, die Pickup-Technik werde oft zu wichtig genommen. Eigentlich gehe es um Persönlichkeitsentwicklung, darum, Ängste abzubauen. Er hat das zu einem Geschäft gemacht. Sein Buch kostet 29 Euro. Für das zweitägige Seminar, das er heute und morgen in Frankfurt hält, zahlen die Teilnehmer je 499 Euro. Polo studiert eigentlich noch, Business Administration, aber gerade könne er nach eigenen Worten gut leben von seinem Handwerk, das eine Mischung aus Lebenshilfe und der Vermittlung eigentlich naheliegender Verhaltensweisen ist. Beim ersten Date nicht rülpsen, Frauen im Club nicht notgeil von hinten antanzen und das Bierglas nicht verkrampft vor der eigenen Brust festhalten. „Lieber lässig am Hosenbund, wie einen Revolver“, sagt Polo.
Industrialisierung von Liebestricks
Das ist harmlos, die meisten Menschen verhalten sich ohnehin so. Den Männern, die zu ihm kommen, fehle aber oft die soziale Fähigkeit, mit Frauen umzugehen, sagt Marko Polo. Neulich war ein 22 Jahre alter Mann da, dem seine Eltern schon mehrere solcher Kurse bezahlt hatten. Und einer, 55 Jahre, der einen gut bezahlten Job hat, aber keine Zeit. Er wollte wissen, wie er es schafft, öfter mal eine Frau in seine teure Wohnung mitzunehmen. Den meisten gehe es aber darum, eine Beziehung zu führen. Das Seminar, dass Marko Polo in Frankfurt gibt, handelt vom „Daygame“, also davon, Frauen auf der Straße anzusprechen.
Liebestricks sind nichts Neues, Pickup ist nur die Industrialisierung dieser Tricks. Das wird oft kritisiert - aber auch oft verlacht. „Ich fühle mich gedemütigt“, schreibt eine Frau im Internet über ihr Zusammentreffen mit einem Pickuper. „Ich fand diesen ganzen Typ Mann seltsam, sein Gegockel und Gehabe“, urteilt eine andere. Frauendezernentin Sarah Sorge (Die Grünen) reagierte entschieden, nachdem Julien Blanc in Frankfurt sein Seminar angekündigt hatte. Sie nannte die Seminare von Blancs amerikanischer Firma frauenverachtend und gewaltverherrlichend; seither beobachtet das Dezernat die Pickup-Szene. Im Pickup-Forum, das Marko Polo mit verwaltet, wurden damals offiziell „jegliche frauenverachtenden Äußerungen“ verurteilt. Gewalt widerspreche den Grundsätzen von Pickup.