Operation Trojan Shield : Bis hin zum Auftragsmord
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Aus dem Dunkeln: Hacker sind die Avantgarde auf dem digitalen Schlachtfeld. Bild: Picture-Alliance
Monatelang haben Ermittler im sogenannten Anom-Verfahren die verschlüsselte Kommunikation in der organisierten Kriminalität verfolgt. Nun haben BKA und Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt zum ersten Mal eine Bilanz vorgelegt.
Als die Ermittler vor einem Jahr im Juni Dutzende Wohnungen in Hessen durchsuchen, steht der Drogenhandel im Rhein-Main-Gebiet zumindest für einen Tag still. Die „Operation Trojan Shield“ gilt noch immer als der wohl größte Schlag im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Und auch ein Jahr danach klingt das, was Ermittler des FBI über Monate an Daten sammelten, wie Fiktion: Erstmals war es gelungen, in großem Umfang die Kommunikation zwischen Mitgliedern krimineller Banden mitzuhören, indem der Unterwelt präparierte Mobiltelefone unterschoben wurden.
In den meisten Fällen ging es in den Gesprächen, die die Ermittler fortan mithörten, um die Logistik im Drogenhandel. Um die Frage, ob Lieferzeiten eingehalten werden können. Auf welchem Weg geliefert wird. Und ob es Engpässe oder sonstige Schwierigkeiten gibt, die es zu lösen gilt. Dazu gehörte auch, Personen, die sich nicht an die Regeln hielten, durch Gewalt zur Mitarbeit zu zwingen – bis hin zur gezielten Tötung, um jemanden „abzustrafen“. Die Kriminellen sprachen nur deshalb so offen miteinander, weil sie dachten, ihre Kommunikation sei verschlüsselt. Doch der Kryptohandy-Anbieter „Anom“ war das, was der Name der Operation verriet: ein trojanisches Pferd.
Nun legten Bundeskriminalamt (BKA) und Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) erstmals eine Bilanz vor, die zeigt, wie groß die Auswirkungen des FBI-Verfahrens auch für die deutsche Strafverfolgung sind. Mit beeindruckenden Zahlen. Denn noch etwas hat das Anom-Verfahren gezeigt: ein Großteil der deutschen Nutzer des verschlüsselten Anbieters war in Hessen aktiv, genauer gesagt im Rhein-Main-Gebiet. Seit März 2021 ermitteln Bundeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft gegen Personen, die im Verdacht stehen, schwerste Straftaten im Feld der organisierten Kriminalität begangen zu haben. Demnach wurden Daten von etwa 2700 Nutzern mit „Deutschlandbezug“ identifiziert und der Zentralstelle übermittelt.
Mehr als 280 Ermittlungsverfahren bundesweit eingeleitet
„In allen Fällen wurde „Anom“ als Kommunikationskanal genutzt, um kriminelle Aktivitäten zu koordinieren – vom internationalen Drogen- und Waffenhandel bis hin zum Auftragsmord“, wie es in der Mitteilung von Bundeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft heißt. So sei in den Chats „offen über die Planung und Durchführung der Straftaten kommuniziert“ worden. Die Behörden hätten Informationen über Lokalitäten, Preisabsprachen, Modi Operandi und zahlreiche Bilder der gehandelten Ware erhalten.
Als besondere Herausforderung bezeichnen die Ermittler die Auswertung und Aufbereitung der umfangreichen Daten. So hat das Bundeskriminalamt eine spezielle Ermittlungsgruppe gegründet, in der neben Kriminalbeamten auch Experten für digitale Spuren und für die Auswertung von Massendaten mitarbeiten.
Bundesweit wurden den Angaben zufolge mehr als 280 Ermittlungsverfahren eingeleitet. In mehr als 90 Verfahren wurden Tatverdächtige festgenommen und Wohnungen durchsucht. Mehr als 140 Haftbefehle wurden vollstreckt. Ferner haben die Ermittler umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, ebenso auch Drogen, darunter knapp 1300 Kilogramm Cannabis, mehr als 1500 Kilogramm synthetische Drogen, vier Kilogramm Heroin, 20 Kilogramm Kokain. Zudem machten die Ermittler fünf Labore zur Herstellung von Rauschgift ausfindig. Im Zuge der Durchsuchungen wurden mehr als 50 Schusswaffen und 2400 Schuss Munition sichergestellt sowie Vermögen im Wert von 1,8 Millionen Euro gesichert. Die Bilanz ist nur vorläufig, wie die Behörden weiter mitteilten. Denn die Auswertung in den Bundesländern dauere noch immer an.