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Kongress für Altersmedizin : „Opa fährt sicherer als Papa“

Rupert Püllen, Leiter des Diakonissenkrankenhauses, hat von einem Geriatriekongress neue Erkenntnisse mitgebracht. Bild: CHL

Zu Unrecht gelten ältere Menschen als schlechte Autofahrer. Auch in anderen Disziplinen sind Hochbetagte oft noch leistungsfähiger als wir denken. Dafür kann auch ein gutes Maß an Stress sorgen.

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          Großeltern sind sichere Chauffeure: Das Risiko, bei einem Autounfall im morgendlichen Berufsverkehr verletzt zu werden, ist für ein Kind geringer, wenn es statt von den Eltern von Oma oder Opa zur Schule gefahren wird. Diese Erkenntnis hat Rupert Püllen aus Halle mitgebracht, wo der Ärztliche Direktor des Diakonissenkrankenhauses Ende September einen Kongress für Gerontologie und Geriatrie geleitet hat. Die Teilnehmer beschäftigten sich dort unter anderem mit der Fahrtauglichkeit alter Menschen.

          Ingrid Karb
          Blattmacherin in der Rhein-Main-Zeitung.

          Studien hätten gezeigt, dass deren Fahrstil meist zu Unrecht kritisiert werde, berichtet der 55 Jahre alte habilitierte Geriater. Sie seien keinesfalls häufiger in Unfälle verwickelt als andere Verkehrsteilnehmer. Altersbedingte Nachteile wie eine längere Reaktionszeit, schlechteres Sehen und Hören glichen sie durch Erfahrung, Weit- und Umsicht sowie Gelassenheit aus. Eine regelmäßige Kontrolle der Fahreignung von alten Menschen sei deshalb nicht gerechtfertigt. „Die Gesellschaft guckt zudem viel zu sehr auf den Sicherheitsaspekt“, kritisiert Püllen. Dabei sei für die ältere Generation die Mobilität wichtig, die ihr die Teilhabe am Leben garantiere. Wer schwer krank oder dement sei, sollte sich jedoch nicht mehr hinters Steuer setzen, rät der Arzt.

          Im Alter gehörten Krankheiten dazu

          Püllen leitet seit 2001 die Geriatrie der Frankfurter Diakoniekliniken. Das Diakonissenkrankenhaus an der Holzhausenstraße ist auf die Rehabilitation alter Menschen nach akuten Erkrankungen spezialisiert. „Wir wollen unsere Patienten wieder alltagstauglich machen“, sagt Püllen. In der Medizin konzentriere man sich darauf, Krankheiten zu heilen. Im Alter jedoch gehörten Krankheiten dazu. Deshalb stünden in der Altersmedizin Lebensqualität und Alltagstauglichkeit im Vordergrund.

          Ziel seiner Klinik sei es, die Patienten nach einem Knochenbruch oder einer Operation wieder so fit zu bekommen, dass sie nach Hause entlassen werden könnten und möglichst ohne fremde Hilfe zurechtkämen. Die Patienten, die von Kliniken aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet überwiesen würden, blieben im Schnitt zwei bis drei Wochen. Etwa 2000 ältere Menschen würden im Jahr stationär versorgt, zusätzlich 300 ambulant in einer Tagesklinik.

          Der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie steht Püllen seit September als Präsident vor. In dieser Funktion war er Kongresspräsident in Halle. 1000 Teilnehmer waren dort zusammengekommen, um sich über die Folgen von Stress im Alter zu informieren. Mitveranstalter war die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie, der außer Ärzten auch Biologen, Psychologen und Soziologen angehören, die sich mit der Lehre des Alterns beschäftigen.

          Medikamente schwer zu dosieren

          Das richtige Maß an Stress halte alte Menschen fit, meint Püllen. Vielleicht sei es der 85 Jahre alten Großmutter manchmal zu viel, auf den siebenjährigen Enkel aufzupassen. Doch ohne die Betreuung wäre sie sicher viel gebrechlicher, glaubt der Mediziner. Um sich fit zu halten, seien Bewegung und eine ausreichende Ernährung wichtig. Doch viele Menschen über 70 nähmen zu wenig Kalorien zu sich. Untersuchungen hätten gezeigt, dass im Alter fülligere Menschen (mit einem Body-Mass-Index von 25) eine höhere Lebenserwartung hätten.

          Ein weiteres Thema des Kongresses war die richtige Dosierung von Medikamenten. „Die medikamentöse Therapie für Hochbetagte ist eine Kunst“, sagt Püllen. Im Alter ändere sich die Verarbeitung von Arzneimitteln im Körper, die Wirkstoffe würden über die Nieren langsamer ausgeschieden. Deshalb müsse in der Regel niedriger dosiert werden. Püllen warnt vor einer „Medikamenten-Kaskade“. Wenn gesundheitliche Beschwerden aufträten, sollte der Hausarzt nicht sofort eine Arznei dagegen verordnen. Vielmehr müsse er prüfen, ob es sich um die Nebenwirkung eines Medikamentes handele, das weggelassen werden könne. Es gebe jedoch auch Krankheiten, gegen die Hausärzte zu selten Medizin verschrieben: Osteoporose und Demenz etwa ließen sich damit verzögern.

          Püllen bildet als Dozent auch medizinischen Nachwuchs aus. Angesichts der demographischen Entwicklung würden in Zukunft mehr Geriater benötigt, fordert er. Von einer „Überalterung der Bevölkerung“ zu reden sei jedoch nicht gerechtfertigt. Das klinge zu negativ. Es sei doch eigentlich eine Erfolgsgeschichte, dass inzwischen so viele Menschen bei guter Gesundheit alt würden: Die heutigen Achtzigjährigen seien so fit wie vor zwei Generationen die Sechzig- bis Siebzigjährigen.

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