Alltagshilfe für Flüchtlinge : Deutscher Döner, deutscher Ehemann
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Integrationslotse: Thomas Weikert (Zweiter von links) unterstützt die afghanische Familie Amiri nicht nur beim Deutschlernen. Bild: Etienne Lehnen
Die Kirche schult Mentoren, die Flüchtlingen im Alltag helfen. Dabei werden sie zu Freunden – die sich auch einmal streiten.
„Ich liebe Deutschland“, sagt Ahmadsha Amiri mit leuchtenden Augen. Zum einen wegen der kulinarischen Spezialitäten: „Spaghetti und Döner“. Aber auch die Deutschen selbst hat die Familienmutter ins Herz geschlossen, und das liegt vor allem an ihm: Rentner Thomas Weikert.
Wie jede Woche ist er heute bei den Amiris in Heddernheim, sitzt mit ihnen um den kleinen Wohnzimmertisch herum und schält Apfelsinen. Durch das Tandem-Programm „Socius“ der evangelischen Kirche haben sie zueinander gefunden. Denn Weikert hat Zeit und die Familie Amiri viele Fragen: Wie findet man in Frankfurt eine Wohnung, wie einen Job? Und wie ticken die Deutschen eigentlich?
Ohnmächtig fühlt sich die Familie heute nicht mehr
Während sich die Eltern noch mit der Hilfe Weikerts orientieren, ist der zehnjährige Sohn schon ganz in Frankfurt angekommen: „Hier bin ich zu Hause“, sagt er. „Hier sind meine Freunde, hier darf ich zur Schule gehen.“ Das durfte er in Iran nicht. Als afghanische Kriegsflüchtlinge hatten die Amiris dort weder eine Chance auf Bildung noch legale Arbeit. Um ihrem Sohn ein bessere Zukunft zu ermöglichen, wagten sie die Flucht nach Deutschland – bevor die Balkan-Route für Schlepper zum Massengeschäft wurde. Der Erleichterung, heil angekommen zu sein, folgte Ratlosigkeit: Was machen wir hier, wo wir kein Wort verstehen, niemanden kennen, alles fremd ist?
Ohnmächtig fühlt sich die Familie heute nicht mehr. Der Vater arbeitet in einer Hotelküche, die Mutter macht eine Ausbildung zur Kellnerin, und der Sohn macht, was Zehnjährige in Deutschland eben so machen: im Verein kicken, Englisch lernen und die Mädchen in der Klasse bewerten.
Dass die Familie auf dem besten Weg zur Integration ist, ist auch das Verdienst von Weikert: Er geht mit den Amiris auf Ämter und zu Wohnungsbesichtigungen. „Ist doch Bürgerpflicht“, sagt er. Meistens treffen sie sich, um Deutsch zu lernen. Denn so sehr sich die Eltern bemühen, die Sprache bleibt ein Problem bei der Jobsuche.
„Vielleicht erst zu Barca und dann Doktor!“
Am liebsten wäre Ahmdsha Amiri Friseurin, sie schnitt schon in Iran Haare. „In Deutschland ist es aber bestimmt einfacher“, mutmaßt sie. „In Iran sind die Frauen so kompliziert.“ Äußeres sei dort sehr wichtig, viele ließen sich die Nase begradigen. „Ach echt?“, fragt Weikert überrascht und fasst sich an die Nase, „auch Männer?“ Die Familie lacht.
Der Vater, der jedes Wochenende in die Moschee geht, will von Weikert wissen, ob der auch eine Religion habe. Katholik, antwortet dieser und überlegt, was Islam und Christentum gemein haben: „Abraham ist doch auch euer Stammvater, oder?“ Ahmadsha Amiri reißt erstaunt die Augen auf: „Ibrahim!“, flüstert sie in einer Mischung aus Ehrfurcht und Freude. „Ihr kennt ihn auch!“
Sohn Omid interessiert sich weniger für Religion. Wenn der Vater in die Moschee geht, spielt er Fußball. „Ich will so werden wie Lionel Messi“, erklärt er, doch seine Mutter sähe ihn lieber als Arzt. Auf Omids entsetzten Gesichtsausdruck hin macht Weikert einen Vorschlag zur Güte: „Vielleicht erst zu Barca und dann Doktor!“
Mentorenprogramm ein Erfolg
Doch so gut der Rentner mit der afghanischen Familie zurecht kommt – manchmal ist die Verständigung schwierig. Wenn die Amiris Probleme haben, aber ihnen die Worte fehlen, um sich zu erklären, kann Weikert nicht helfen: „Ich bin dann einfach mit dem Herzen da“, sagt er.
Für die Flüchtlinge da sein, das will die evangelische Kirche mit ihrem Mentorenprogramm. Seit vier Jahren schult sie Freiwillige und vermittelt sie an Flüchtlinge ihrer Beratungsstellen. „Das Programm ist erfolgreich“, sagt die Initiatorin Stephanie Höhle. Oft könnten die Mentoren den Flüchtlingen Wohnungen oder Jobs vermitteln – oder einfach nur eine Brille. So kam eine Syrerin monatelang im Deutschkurs nicht mit, weil sie schlecht sah. Als ihre Mentorin ihr eine Lesebrille besorgte, ging es plötzlich mit dem Deutsch besser. „So einfach ist das manchmal“, sagt Höhle.