Alexander Pavlenko hat Goethes „Faust“ zur Graphic Novel gemacht
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Dehnung und Raffung: Die Gretchen-Handlung wird straff erzählt, aber die Bilder verweilen bei ihrem Leid. Bild: Edition Faust
Was streicht man, was bewahrt man? Es gibt Originale, bei denen das einfacher zu beantworten ist als bei Goethes Bearbeitung des Fauststoffes. Alexander Pavlenko wollte in seiner Graphic Novel-Adaption den Fluss erhalten.
Es ist der 16. August 1772, und auf dem Römerberg in Frankfurt hat eine fahrende Theatertruppe haltgemacht. Vorne buntes Gedränge, hinten die Fassade des Römers, zwischen Brettern und Tuchvorhang Direktor und Dichter im Gespräch über Kunst zwischen Ideal und Wirklichkeit. Goethes „Vorspiel auf dem Theater“ und den Beginn des „Faust“ an diesem Ort anzusiedeln geht auf Alexander Pavlenko zurück. Der in der Sowjetunion geborene Zeichner lebt in Limburg, aber er hat 15 Jahre lang am Main gearbeitet und für die Stadt viel übrig: „Es ist eine Liebeserklärung an Frankfurt.“ In einem seiner nächsten Projekte, Illustrationen zu E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Meister Floh“, will er den kleinen Liebesgruß etwas weiter ausformen, indem er das Frankfurt des 19. Jahrhunderts zeigt.
In „Faust“, seiner Graphic Novel nach Goethes erstem Tragödienteil, taucht die Heimatstadt des Dichters hingegen nur am Anfang auf. Die frühe Neuzeit, die der 1963 in Rjasan zur Welt gekommene und mit knapp dreißig in die Bundesrepublik übergesiedelte Künstler für den Band entworfen hat, ist in einer nicht näher zu bestimmenden Stadt voller mittelalterlicher Gebäude angesiedelt. Wenn Pavlenko sich Bezüge auf die Außenwelt erlaubt, geht es nicht um Bestandteile der Wirklichkeit, sondern um die Art ihrer Gestaltung. Der Leser trifft, dem Genre des gezeichneten Romans angemessen, auf Gemälde der Renaissance wie Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“, deren hohen Himmel und zwergenhafte Berglandschaft man in einer ganzseitigen Abbildung wiedererkennt, auf der Mephisto nach seiner Wette mit dem Herrn zur Erde fliegt, um sich Faust zu nähern.
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