AfE-Turm vor der Sprengung : 950 Kilo Sprengstoff in 1400 Bohrlöchern
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Der AfE-Turm überragt in Frankfurt-Bockenheim noch alles (links im Bild). Bild: Helmut Fricke
Am 2. Februar wird der 116 Meter hohe Frankfurter Uni-Turm gesprengt. Wie wird gesprengt? Wie gefährlich ist das? Wann beginnt das Spektakel? Wo müssen sich Anwohner und Schaulustige aufhalten? Hier die Antworten.
Das Universitäts-Hochhaus erinnert Generationen von Studenten an die Frankfurter Schule und ihre kritische Theorie, an linke und linksradikale Gruppierungen sowie an überfüllte Seminarräume ohne Charme und völlig verkritzelte Wände. „Elfenbeinturm“ haben Unbekannte ganz oben an den Betonklotz geschrieben. Jetzt wird der AfE-Turm gesprengt, er macht zwei Büro-Hochhäusern Platz.
Welches Gebäude wird gesprengt?
Das Hochhaus der Frankfurter Universität wurde 1972 gebaut. Generationen von Geisteswissenschaftlern studierten in dem grauen Beton-Klotz, darunter auch Erziehungswissenschaftler. Der Name AfE-Turm stammt von der „Abteilung für Erziehungswissenschaft“. Das Gebäude ist 116 Meter hoch, mit Fundament sogar 127 Meter, und gut 30 Meter lang. Das Gewicht des bereits entkernten Gebäudes mit seinen 20 Stahlbetonstützen beträgt rund 50.000 Tonnen.
Wo steht der AfE-Turm?
Der AfE-Turm wurde mitten in der Stadt ganz in der Nähe des Messegeländes gebaut. In der unmittelbaren Nachbarschaft stehen Wohnhäuser, ein Hotelturm, ein Labor, das Senckenberg-Museum und zahlreiche andere denkmalgeschützte Gebäude. Nur knapp 50 Meter entfernt verlaufen zwei U-Bahn-Röhren. Auch eine Gasleitung ist nicht weit. Das ist aber nicht alles: „Es ist von einer Reihe schützenswerter Gebäude umgeben, die keinesfalls beschädigt werden dürfen“, sagt Sprengmeister Eduard Reisch.
Wie wird gesprengt?
Rund 950 Kilogramm des extrem starken Sprengstoffs Nitropenta werden auf sechs Etagen in insgesamt 1400 Bohrlöchern an den Stützpfeilern eingebracht. Je nach Lage des Pfeilers werden 400 Gramm bis 1,2 Kilo in ein Bohrloch gesteckt. Sprengmeister Reisch zündet die Sprengladungen um 10 Uhr mit einem elektronischen Funksignal vom Dach des benachbarten Marriott-Hotels aus.
Zunächst sollen die Pfeiler des Gebäude-Skeletts detonieren und etwa 3,5 Sekunden später der Kern. Dabei sackt das Haus mit einer sogenannten Nord-Süd-Faltung in sich zusammen: Die oberen 65 Meter fallen leicht in Richtung Süden und der kürzere untere Teil zeitgleich gen Norden. Die Wahrscheinlichkeit eines Blindgängers bei den Sprengobjekten liegt dem Sprengmeister zufolge bei eins zu einer Millionen.
Wie riskant ist die Sprengung?
„Um die Sicherheit zu garantieren, ist alles Menschenerdenkliche getan worden“, sagt der Chef der städtischen Wohnungsbau-Holding, Frank Junker. Eine Reihe von Gutachten namhafter Ingenieure und Statiker ergab nach den Worten des Sprengmeisters Eduard Reisch: „Ja. Man kann so ein Gebäude mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sprengen, ohne dass es zu Schäden an Personen oder benachbarten Gebäuden kommt.“ Damit das Risiko so klein wie möglich ist, wurden mehrere Gebäudeteilen mit bis zu 400 Gramm schwerem, reißfesten Vlies geschützt. Vor dem Gebäude und bis zu sechs Meter hohe Wälle errichtet. Zusammen mit dem Gebäude werden zudem zahlreiche Wasserkanister mit je 1000 Litern gesprengt, um die Staubentwicklung zu reduzieren.
Warum wird gesprengt?
Eigentlich sollte die Abbruch Gmbh (AWR) das Gebäude von oben nach unten abtragen. Als sie damit im Juli 2013 begann, hagelte es Beschwerden von Hotelgästen, Studenten und Dozenten, Nachbarn und Beschäftigten. Da es mindestens noch ein Jahr gedauert hätte, das ganze Haus abzutragen, wurde eine Machbarkeitsstudie zu der Sprengung angestellt.
Wie müssen sich die Anwohner während der Sprengung verhalten?
Um das Gebäude werden zwei Sperrzonen eingerichtet - dafür werden fast zwei Kilometer Bauzaun aufgestellt. In beiden Zonen müssen die Fenster geschlossen und Klimaanlagen abgestellt bleiben. Zone 1 mit einem Radius bis 135 Meter um das Gebäude darf von 8 Uhr morgens an nicht mehr betreten werden. Der Radius der Sperrzone 2 beträgt 250 Meter. Der Aufenthalt im Freien und auf Balkonen ist in diesem Gebiet von 9.30 Uhr an verboten. Die Bewohner können zwar in ihren Wohnungen bleiben, dürfen sich aber nicht in den Dachgeschossen und den der Sprengung zugewandten Räumen aufhalten.
Aus welcher Entfernung können Zuschauer die Sprengung verfolgen?
Außerhalb der zweiten Zone - also mindestens 250 Meter entfernt - können Zuschauer bei der Sprengung dabei sein. Sprengmeister Eduard Reisch geht davon aus, dass die Sprengung wie zwei laute Böllerschüsse zu hören, eine Erschütterung aber nicht zu spüren ist.
Wie viele Helfer sind im Einsatz, wie viele Zuschauer werden
erwartet?
Je nach Wetterlage rechnen die Organisatoren mit Tausenden bis Zehntausenden Zuschauern. Neben 400 Helfern des Technischen Hilfswerks ist auch Polizei und Bundeswehr im Einsatz. Die Organisatoren sprachen von insgesamt rund 500 Helfern um die Absperrungen.
Was kostet die Sprengung und wie lange dauert sie?
ABG-Chef Junker beziffert die Kosten auf „einen nennenswerten siebenstelligen Betrag“. Zur Summe äußert er sich nicht. Sprengmeister Reisch verspricht: „An der Sicherheit wird sicher nicht gespart.“ Er rechnet damit, dass etwa eine halbe Stunde nach der Sprengung Entwarnung gegeben werden kann und rund eine Stunde nach der Explosion die Sperrzonen ganz aufgehoben werden können.
Was passiert mit dem Gelände?
Auf den rund 9500 Quadratmetern um den Turm sollen zwei neue Hochhäuser gebaut werden, 100 und 140 Meter hoch. Darin sind Büros und Gewerbe vorgesehen. Das Areal um den AfE-Turm gehört zu dem Gelände, auf dem bis 2019/2020 der sogenannte Kulturcampus entstehen soll. Das ist eine Mischung aus Büros, Wohnungen, Gewerbe und Kultur.