AfD im Rheingau-Taunus : Am Ende ist die SPD düpiert und verärgert
- -Aktualisiert am
Alternativer Aufkleber: Politische Gegner manipulieren vor der Kommunalwahl im März Plakate der AfD. Bild: Imago
Wie macht die AfD Politik in Hessen? Im Rheingau-Taunus ist die Partei drittstärkste Kraft. Der Plan, die Rechtspopulisten auszugrenzen, geht nur bedingt auf. Ein Beispiel aus der Provinz.
Da waren es nur noch sieben. Es hat nur weniger Wochen und einer einzigen Kreistagssitzung bedurft, um der neuen Fraktion der AfD Einfluss zu nehmen und sie der Häme des politischen Gegners auszusetzen. Ausgerechnet der gerade erst gewählte Fraktionsvorsitzende der AfD, der Rauenthaler Programmierer Christoph Klein, legte schon nach dem ersten Auftritt im Kreistag sein Amt nieder und verließ neben der Fraktion auch gleich die AfD. Damit hat der gerade erst konstituierte Kreistag schon sein erstes partei- und fraktionsloses Mitglied.
Die AfD legt dabei ihr Politikverständnis offen: Partei- und Fraktionsvorsitzende sind nach ihrem Verständnis nur „Beauftragte“ ohne das Recht, eigene Wünsche und Vorstellungen zu verwirklichen. Diese „Rechtslage“ habe Klein nicht akzeptieren wollen, hieß es zum Abgang des Fraktionschefs. Da er sein Kreistagsmandat nicht niederlege, werde ihn die AfD „in die Reihe ihrer politischen Gegner einordnen müssen“, heißt es drohend. Mit Werner Schramm hat die Fraktion inzwischen noch ein weiteres Mitglied verloren, Nachrücker ist Viktor Flor. Klaus Gagel, Meteorologe aus Taunusstein, ist neuer Fraktionsvorsitzender der AfD.
Plan, AfD von Ämtern fernzuhalten
In den ersten Sitzungen eines neu gewählten Kreistags stehen ein ermüdender Wahlmarathon und viele Abstimmungen auf der Tagesordnung. Es sind manch wichtige und viele unbedeutende Positionen, Gremien und Verbände zu besetzen. Das für Zuschauer wenig attraktive Schauspiel langwieriger geheimer Wahlgänge legt allerdings offen, wie die etablierten politischen Kräfte mit den rechtspopulistischen Neuzugängen in der bevorstehenden Wahlperiode umzugehen gedenken.
Die AfD von möglichst vielen Ämtern fernzuhalten, das ist kein einfaches Unterfangen, weil dem die bloße Stärke der drittgrößten Fraktion und das Kommunalwahlrecht entgegenstehen. Listenverbindungen sind allerdings eine Möglichkeit, Änderungen der Satzung und Geschäftsordnung eine andere. Um die AfD vom Kreistagspräsidium fernzuhalten, setzten CDU und SPD gemeinsam durch, dass statt dreier nur noch zwei Stellvertreter für Klaus-Peter Willsch (CDU) bestellt und von diesen beiden Fraktionen bestimmt werden.
Der Plan ging gründlich schief
Die AfD wetterte deshalb schon im Vorfeld gegen die „Altparteien“: „Die Schamlosigkeit an politischem Nepotismus und Vetternwirtschaft hat eine neue öffentliche Dimension erreicht“, schimpfte die Kreisvorsitzende und frühere Richterin Angela Miehlnickel im Internet. Die angekündigten rechtlichen Schritte blieben aber eine folgenlose, weil nicht eingelöste Drohung.
Doch der Plan von SPD und CDU ging gründlich schief, weil die kleineren Fraktionen rebellierten. Die Grünen zogen kurzfristig ihren ohnehin aussichtslosen Personalvorschlag zurück, und alle kleineren Fraktionen einschließlich AfD stimmten für die gemeinsame Liste von FWG und FDP. Diese hatte dann unerwartet mehr Stimmen als die Liste der völlig konsternierten SPD. Statt des Landtagsabgeordneten Marius Weiß (SPD) wäre nun eigentlich Hans-Josef Becker (FWG) gewählt, wenn die SPD nicht Widerspruch gegen das Ergebnis eingelegt und mit Hilfe der CDU eine Verschiebung der Wahl durchgesetzt hätte. Die SPD-Führung zeigte sich vor allem über die Grünen erbost, denen man den stellvertretenden Vorsitz des Haupt- und Finanzausschusses überlassen habe. Der Eindruck sei daher falsch, die Großen teilten die wichtigsten Posten unter sich auf. Doch das sehen nicht nur die Grünen anders, und Dank kennt die Politik auch in der Provinz nur bedingt.
„Fraktionen wollen drittstärkste Kraft ausbooten“
Aber auch die Grünen hatten nicht nur Grund zu eitlen Freude. Bei der Wahl von zwei Vertretern für den Zweckverband Rheingau stimmte die AfD unerwartet geschlossen für die Liste der Grünen, was der Grünen-Fraktionschefin Ingrid Reichbauer einen Sitz in der Verbandsversammlung und den lauten Beifall der AfD bescherte. Reichbauer veranlasste das zu einer Sitzungspause und einer persönlichen Erklärung: Sie nehme das Amt nur an, weil die AfD-Stimmen nicht ausschlaggebend gewesen seien. Jubel sei völlig unangebracht.
Ob die Wahlarithmetik Reichbauers richtig war, blieb in den Reihen der SPD umstritten. Der „Sitzverteilungsrechner“ nach Hare/Niemeyer wurde jedenfalls auf vielen Tabletcomputern ausgiebig bemüht, um Prognosen für die Gremienwahlen abzugeben. Nicht verhindern ließ sich, dass die AfD dank eines Abweichlers aus den Reihen der CDU-Fraktion einen Vertreter in die Regionalversammlung entsendet.
Eine Listenverbindung von FDP und FWG, die sonst im Kreistag nicht eben freundlich miteinander umgehen, hielt die AfD jedoch aus dem Aufsichtsrat der Kreisholding und aus dem Sparkassen-Zweckverband heraus. Der richtigen Einschätzung von Klaus Gagel (AfD), die bisherigen Fraktionen wollten „die drittstärkste Kraft ausbooten“, widersprach niemand. Sobald der Kreistag nicht mehr länger mit sich selbst beschäftigt ist, wird sich zeigen, ob es der Mehrheit gelingt, die AfD auch „politisch zu stellen“, wie dies die SPD angekündigt hat. Die Themen Flüchtlinge und Willkommenskultur bieten in vier Wochen Gelegenheit für einen ersten Schlagabtausch.