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Australien : Der späte Frieden des Kriegers Yagan

Da musste ein Investor aus Singapur kommen

Das gilt auch für das schönste Kronjuwel von Perth, „The Treasury“, das ehemalige Schatz- und Postamt, das den Kilometer null im Bundesstaat Western Australia markiert. Heute erscheint die Vorstellung so verbrecherisch wie absurd, dass diese viktorianische Kostbarkeit zwanzig Jahre lang vor sich hin rottete, eine Ruine voller Ratten, ein Schandfleck im Herzen der Stadt. Vor sechs Jahren erbarmte sich ein Hotel-Tycoon aus Singapur des Schatzamts, steckte hundertzehn Millionen australische Dollar, umgerechnet siebzig Millionen Euro, in seine Wiederauferstehung, ließ allein für eine Million Dollar in einer Fabrik in Wales die originalen Dachziegel nachbrennen und eröffnete 2015 mit dem Como das luxuriöseste Boutique-Hotel in Perth und eines der besten Häuser ganz Australiens – und nicht nur das: Im Sog des Como ist „The Treasury“ zum kulinarischen Epizentrum von Perth geworden, mit einer Weinbar, die neben den Granden des europäischen Winzerwesens nur die erlesensten Gewächse aus Western Australia führt, und mit einer Bierbar, die nicht nur zwanzig verschiedene Sorten frisch zapft, sondern auch fassgereifte Dunkelbiere in der Champagnerflasche für 95 Dollar verkauft. Und wenn man die fröhlichen Massen von Feierabendzechern bei Bier und Wein fragt, warum erst ein Investor aus Singapur kommen musste und nicht die schwerreichen Bergbaukonzerne den Boom von Perth vorantreiben, bekommt man mit schönster australischer Direktheit immer dieselbe Antwort: „They are miners. They dig holes.“

Blick vom King’s Park über Perth.
Blick vom King’s Park über Perth. : Bild: Picture-Alliance

Im Souterrain des Schatzamtes sorgt das thailändische Restaurant „Long Chim“ für eine Trubelstimmung wie auf einem Bangkoker Nachtmarkt und serviert eine derart puristische Thai-Küche, als befände man sich tatsächlich auf einem Nachtmarkt in Bangkok – was kein Wunder ist, denn hinter dem Lokal steckt der Australier David Thompson, der schon früh zur thailändischen Küche konvertierte, sich mit dem „Nam“ in Bangkok Weltruhm und mit dessen Schwesterhaus in London einen Michelin-Stern erkochte und nun in Perth regionale Ingredienzien nach klassischer südostasiatischer Manier zubereitet: Fish Curry mit Choy-Sum-Tomaten, Tamarinden und Limetten oder Hühnerhack à la Chiang Mai mit Chili, der so höllenscharf ist, dass man damit wahlweise Tote wieder auferwecken oder Morde verüben kann.

Der wahre Chef ist die Natur

Den größten kulinarischen Schatz aber hebt man in der obersten Etage des „Treasury“: im Restaurant „Wildflower“ des jungen westaustralischen Kochs Jed Gerrard, der sich selbst als Landei bezeichnet, trotzdem verschiedene Hospitanzen in europäischen Sternehäusern absolviert hat und nun nach den sechs Jahreszeiten des Aborigine-Volkes der Noongar kocht. Sie orientieren sich an keinem festen Kalender, sondern an den zwölftausend Wildblumenarten, die in Westaustralien wachsen. Allein ihre Blüte bestimmt, wann Birak, Bunuru, Djeran, Makuru, Djilba und Kambarang beginnen – und wann Jed Gerrard sein Menü wechselt. Jeden Tag seien sie mit dem Botanischen Garten von Perth in Kontakt, um sich nach dem Stand der Blüte zu erkundigen, und jedes Mal stelle er fest, dass die Wildblumen tatsächlich die besten Indikatoren für einen Jahreszeiten- und Menüwechsel seien, sagt Gerrard: „Der wahre Chef in meinem Restaurant ist also die Natur.“

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