Singapur im Wandel : Jetzt ein Schwimmbad!
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Der vermutlich einzige Hotelpool der Welt, der zum Wahrzeichen einer Stadt avanciert ist: Hoch oben im Wasser des Marina Bay Sands. Bild: Picture-Alliance
Was wissen Sie über Singapur? Vergessen Sie’s, es ist garantiert veraltet. Der Stadtstaat verändert sich alle paar Jahre – und ist dann kaum wiederzuerkennen.
Es war einmal, nicht mal zwanzig Jahre her, da fuhr man durch Singapur und der Taxifahrer weigerte sich erstens, loszufahren, weil der Gast nicht ordnungsgemäß angeschnallt war, und zweitens, die Klimaanlage, die auf Gemüsekühlfachtemperatur heruntergeregelt war, auszuschalten. Und das Fenster, das ging erst gar nicht auf, da konnte der Passagier lange auf den Knopf im Fond drücken. Auf den Straßen waren kaum Menschen zu sehen, alles kam einem sehr streng und geordnet vor. Expats, deren Kinder ins Flegelalter kamen, ließen sich nach Möglichkeit woandershin versetzen, und bald hatte sich überall auf der Welt herumgesprochen, dass man wegen Kaugummiausspuckens, Wändebeschmierens oder Grasrauchens sofort mindestens eine Woche im Büßerhemd die Straße kehren muss, oder, in letzterem Fall, mindestens lebenslänglich bekommt, wenn man sein Leben überhaupt behalten durfte.
Der im Februar verstorbene Schriftsteller John David Morley wurde Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in Singapur geboren und erkannte jedes Mal, wenn er zurückkehrte, die Stadt nicht mehr. 2002 klagte er, dass nach der Renovierung des Traditionshotels „Raffles“ nun alle modernen Hotels auf Außenwelt verzichten: „Aus Singapur ist eine gigantische zusammenhängende Unterkunft geworden, eine Vernetzung von Hotels als Oase, die kein Gast jemals zu verlassen braucht, um sich alle Wünsche zu erfüllen.“ Aber es gab auch Reisende, die gar keine Lust mehr auf Wunscherfüllung im Musterländle hatten. „Singapur ist die schrecklichste Stadt, die ich kenne“, lautete der erste Satz von Christian Krachts Reisedepesche „Disneyland mit Prügelstrafe“ aus dem im Jahre 2000 erschienenen Buch „Der gelbe Bleistift“, wobei er im zweiten Satz einschränkt, Mogadischu und Kabul seien schlimmer. Ein Tigerstaat zum Fürchten, aber nur eine Momentaufnahme. Lange her.
Drei Türme, auf denen ein Surfbrett liegt
Heute steht auf Drogenschmuggel noch immer die Todesstrafe (man erhält bereits im Flugzeug einen Zettel mit großen Buchstaben, der das noch mal deutlich macht), und um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit könnte es besser bestellt sein (wird nicht auf Handzetteln erwähnt), aber der Taxifahrer fragt als Erstes danach, ob man gern bei offenen Fenstern fahren möchte.
So wirkt Singapur auch ohne Cabriolet gleich wie in dem Film „Crazy Rich“, der gerade in Kinos und Langstreckenfliegern läuft: Überall sind Skulpturen aus Glas und Beton in den Äquatorhimmel gewachsen; da, wo letztes Mal noch Salzwasser war, blühen Bougainvilleen und wachsen echte Bäume und überdimensionierte aus Stahl und Licht, und Orchideen säumen den Park vor dem neuen Gesicht der Stadt: dem Hotelkomplex „Marina Bay Sands“, der wahlweise als Bügelbrett oder als drei Türme, auf denen ein Surfbrett liegt, beschrieben wird. Mosche Safdie, von dem auch die Entwürfe zur berühmten Wohnanlage Habitat 67 in Montreal und die neue Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem stammen, hat über drei 55 Stockwerke hohe Türme einen 340 Meter langen Dachgarten gelagert. Da findet man auch das 146 Meter lange Schwimmbecken mit Überlaufkante. Und dieser Pool ist das aktuelle Wahrzeichen und für viele ein Grund, in Singapur nicht nur umzusteigen.