Solche Stimmungen, krumme Holzzäune, die wie Land-Art wirken, Wiesen, über die der Blick den Auslauf genießt – Morgennebel im Jagsttal. Bild: Picture-Alliance
Wandern im Jagsttal : Auf Pfarrers Wort ist Verlass
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Nur hin und wieder eine Informationstafel und fast nirgendwo ein Mensch: Es ist einsam auf dem Pfad der Stille durch das beschauliche Hohenloher Land.
Sie klingen wie das passende Angebot für diese Zeit, die so sehr Distanz von allen Massen und allem Trubel fordert – die Pfade der Stille im Hohenloher Land. Der Name ist ein Versprechen, das verlockend klingt, wenn man aus dem Stuttgarter Raum kommt. Denn den Drang nach draußen verspüren viele, und so sind die Stuttgarter Weinberge oder die Premiumwege der Schwäbischen Alb an schönen Tagen buchstäblich überrannt. Dort ist Overtourism kein Fremdwort mehr, und es gab schon vor Corona Proteste der Einheimischen. Die Pandemie hat die Situation verschärft. Überfüllte Parkplätze, zugeparkte Wege, genervte Anwohner – mancherorts werden Polizeisperren verlangt.
Ganz anders dieser Samstagmorgen, als ich über eine gedeckte Holzbrücke in den Weiler Unterregenbach fahre. Einige wenige Häuser, zwei Parkplätze vor dem alten Schulhaus. Beide leer. So leer, wie es nach der Autobahn bald auch die Straßen dorthin gewesen sind. Ab und zu ein Traktor. Das war’s auch schon an Verkehr. Aus dem Ort ist man so schnell hinausgegangen, wie man hineinfährt: einmal um die Ecke biegen, links und rechts ein Haus – schon geht es ein paar Meter zum Friedhof hinauf und weiter auf einem Wiesenweg. Der erste Eindruck: Auf das Wort eines Pfarrers kann man sich offensichtlich auch nach mehr als hundert Jahren verlassen.
Damals kam Eugen Gradmann nach Unterregenbach und untersuchte die romanische Krypta unter dem Pfarrhaus. Was er sah, brachte ihn ins Schwärmen: „Das Jagsttal ist eine malerische vielgewundene Schlucht im Muschelkalk. Über die Jagst legt sich eine altersgraue Archenbrücke. Unterregenbach bietet ein ungemein reizvolles Dorfbild und hat manches Altertümliche bewahrt.“
Die Pfade sind eine lokale Schöpfung
Eugen Gradmann müsste heute keines seiner Worte zurücknehmen. Man schaut auf einen Ort, in dem sich noch immer nur wenige Häuser um einen Fachwerk-Kirchturm glucken, schaut auf einen Fluss, der noch frei mäandern darf und dessen Schlingen sich breit in die Talwiesen legen, schaut auf ein für heutige Straßenbau-Zeiten erstaunlich kurviges, schmales Sträßchen, das sich über die Kuppen der Landschaft windet, schaut auf steile Weiden und kleine Äcker, auf das winzige Nachbardorf, hinter dessen letzten Häusern sich die Felder ausbreiten – und nicht Gewerbegebiete. Am Horizont mit einem waldigen Bergrücken akzentuieren die Schloss- und Kirchtürme von Langenburg die Stadtsilhouette. Nur ein paar Windräder, die sie überragen, verhindern, dass man sich völlig in der Vergangenheit wähnt.
Ein grünes Schildchen am Wiesenweg weist die Richtung: Hier geht es lang auf einem „Pfad der Stille“. Er gehört zu einem Wandernetz von sechzehn Rundkursen in Hohenlohe, alle mit dieser Bezeichnung – die natürlich zunächst unter Marketing-Verdacht steht, um den umliegenden Gemeinden bloß ein Stück vom Wandertourismus-Kuchen zu sichern. Aber für die „Pfade der Stille“ hat kein Wanderinstitut gegen gutes Geld sein Premiumweg-Produkt importiert, vielmehr sind diese Wege eine lokale Schöpfung. Initiiert hat die Pfade der Stille der Hohenloher Franz Jakob, einst Ortsvorsteher in Zaisenhausen, einem Dorf nicht fern von Unterregenbach. Im Jahr 2007 hat er damit begonnen und nach und nach mit den Touristikern am Ort immer weitere Rundkurse ausgeschildert.