Tolle Tage in Valencia : Glühende Teufel und barbusige Kleopatras
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Aus der Ferne oder ganz nah hört man schon die nächste Musikkapelle, in Reihen oder paarweise, oft ein Kind auf dem Arm oder im Wagen, treten die Stadtpilger auf den Platz und erblicken zum ersten Mal die spitze Pyramide aus Lattengerüsten, an deren Spitze der Kopf von Maria mit Kind sitzt. Und alle, alle sind sie ergriffen. Manche beißen die Zähne zusammen, andere tupfen sich die Augen oder lassen ungeniert die Tränen rollen. Geduldig rücken sie vor und geben ihren Blumenstrauß ab. Am Gerüst stecken Helfer die weißen und roten Nelken zu jenem Muster zusammen, das lange vorher festgelegt wurde: ein weißer Mantel mit rotem Herzen und Palmwedeln als Ähren. Langsam, aber stetig füllt sich das Gestell, und der Nachschub reißt zwei Nachmittage lang nicht ab. Exakt 42.295 Sträuße werden am Ende verarbeitet worden sein.
Eine Übung in der Kunst des Loslassens
Trotz Donner, Blitz und Feuerwerksregen fehlt noch irgendetwas. Das befanden die Falleros vor dreizehn Jahren und führten als zusätzliche Attraktion eine Feuerparade ein. Die zieht am Abend des letzten tollen Tages durch die Calle Colón. Und sie ist dazu da, alle, die denken, Valencia müsste doch nun sein Pulver endlich verschossen haben, ohrenbetäubend und funkensprühend eines Besseren zu belehren. Operntänzerinnen in goldenen Kleidern und die Fallera Mayor, die gewählte Königin der Falla, ziehen vorneweg. Dahinter hat die Unterwelt ihren Schlund geöffnet und speit zum Tröten der Flöten ihre Ungeheuer aus: den funkenschnaubenden Drachen, die feuerspeienden Vulkane, den flammenwerfenden Stelzenläufer, die von innen glühende Eisenschildkröte und den Roboter, der die Straße mit knisternden Glutnestern bestreicht. Feuerräder heulen, Funkenräder stieben, Feuerschweife jagen hoch. Die mitmarschierenden Materialverwalter kommen kaum nach, ihre Protagonisten mit entflammbarem Nachschub zu versorgen. Ordner mit Mundschutz und Helm achten auf den Sicherheitsabstand zu den Zuschauermassen am Straßenrand. Dann explodiert der Nachthimmel in einer röhrenden, blendend weißen Sekunde, das Tor an der Plaza Colón geht in einer rotgoldenen Wolke aus bengalischem Feuer unter – und taucht unversehrt aus dem Ascheregen wieder auf.
Doch irgendwann gehen auch die schrillsten Tage zu Ende. Die letzte Nacht ist die Nacht der Verbrennung der Fallas, eine Übung in der Kunst des Loslassens. Feuerwehrleute spritzen in weiser Voraussicht benachbarte Hauswände ab oder haben Schutzplanen aufgehängt. Von elf Uhr nachts an brennen die Scheiterhaufen überall in der Stadt. Die geschuppten Truthähne werden von den Flammen dahingerafft, ein letztes Mal grinst der lüsterne Marquis aus dem prasselnden Inferno, die ratlosen Köpfe der Außerirdischen halten sich noch ein paar Minuten, ehe auch sie im Flammenmeer verschwinden.
Ganz am Ende erst wird das Schicksal der 41 Meter hohen Falla auf dem Rathausplatz besiegelt, einer schlanken Nadel aus Holz und Pappmaché, die frappierend der Rakete aus einem Tim-und-Struppi-Comic ähnelt. Eine Reihe kleinerer Explosionen entzündet sie, zwei Feuerwehrleute behalten von einer Drehleiter aus die Szene im Blick. Schon fressen die Flammen die Haut der Skulptur, nagen sie ab bis auf die Knochen. Langsam züngeln sie sich hoch, beißen sich hinein und schlagen schließlich ganz oben prasselnd wieder heraus. Und endlich bricht das Gerüst zusammen, fällt in sich, kracht senkrecht nach unten, genau wie vorgesehen. Beim letzten großen Aufflackern verglühen Millionen goldener Sterne vor schwarzem Samt, das Symbol der Ausnahmetage stirbt in Schönheit. Die Nationalhymne erklingt. Und auch diese Falla ist Geschichte. Etwas endet. Etwas Neues beginnt.
Tolle Tage in Valencia
Die Fallas finden vom 15. bis zum 19. März statt. Nähere Auskünfte gibt es unter www.pasionfallera.com (auch auf Deutsch), www.lovevalencia.com, www.fallesfromvalencia.com, www.valenciaturisme.org und www.visitvalencia.com.